147 Millionen Euro für den Status Quo

Berliner Unis warnen: Zahlt die Stadt nicht, »bricht alles wie ein Kartenhaus zusammen«

  • Marlene Göring
  • Lesedauer: 3 Min.

Für jeden Euro, den Berlin in seine vier großen Universitäten steckt, bekommt es zwei wieder: Kurz bevor der Senat den Haushaltsentwurf 2014/15 veröffentlicht, warten die Humboldt (HU), die Freie (FU), die Technische (TU) und die Universität der Künste (UdK) mit starken Argumenten für die Finanzierung der Hochschullandschaft auf. Denn eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) belegt: Rund 1,7 Milliarden Euro erwirtschafteten alle vier Unis gemeinsam in 2011. Demgegenüber stehen 840 Millionen Euro, die die Stadt im selben Zeitraum in sie investierte.

Das errechnete Volumen bezieht sich allein auf die Wertschöpfung durch Einkommen für die 24 800 Arbeitsplätze, die die Hochschulen direkt und indirekt schaffen. Auf 100 Mitarbeiter an den Unis kämen 72 Stellen, die durch sie entstehen würden, sagt Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der HU. In den Betrag noch nicht eingerechnet sind Steuereinnahmen und das, was die 96 000 Studenten zur Wirtschaft beitragen. Nicht zu unterschätzen seien auch die außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die sich in Uninähe ansiedelten. 18 000 davon gibt es in Berlin. Die Universitäten trügen Verantwortung für die Wirtschaft der Hauptstadt. »Schwarz rauchende Schornsteine sind kein Industriebild für Berlin«, sagt TU-Präsident Jörg Steinbach. »Wir brauchen einen starken Hightech-Bereich.« Dieser sei traditionell eng mit den Hochschulen verbunden.

»Wir sind ein Spitzenwissenschaftsstandort, noch vor München und trotz nationaler und internationaler Konkurrenz«, meint Steinbach. »Das sollte Berlin nicht beliebig aufs Spiel setzen.« Ein Drittel aller Mittel werben die Unis mittlerweile von außerhalb an. Ein Spitzensatz, betont Steinbach. Nicht messbar sei zudem ihr Einfluss auf die kulturelle und soziale Entwicklung der Hauptstadt.

Es ist die erste Studie für die vier Berliner Unis gemeinsam und das erste Mal, dass sie derart geschlossen auftreten. »Da hat sich etwas in unserer Kultur verändert«, sagt Steinbach. Kein Wunder, geht es doch für die Universitäten nach eigener Aussage um nicht weniger als ihr Überleben. »Wenn die Mittel gekürzt oder nicht ausreichend fortgeschrieben werden, bricht alles wie ein Kartenhaus zusammen«, ist FU-Präsident Peter André Alt überzeugt. 147 Millionen Euro mehr benötigen die Unis bis zum Jahr 2017. Dabei sei diese Forderung sogar noch bescheiden. »Es reicht gerade, um unser Leistungsniveau halten zu können«, betont Alt. Jede Abweichung um zehn Millionen koste 3000 Studierendenplätze. Auch das Einwerben von Drittmitteln sei nur möglich bei einem halbwegs stabilen Personalaufkommen. Genau das sei aber in Gefahr. »Der Mittelbau mit seinen Zeitverträgen ist für uns die einzige flexible Größe«, meint Steinbach. Normalerweise sei das deshalb auch der erste Posten, an dem gespart werde. In jedem Fall sei entweder die Lehre oder der Forschungsauftrag bedroht.

Das Dilemma: Berlin darf in den nächsten Jahren seinen Haushalt insgesamt um nur 0,3 Prozent zusätzlich belasten. Wie der derzeitige Verhandlungsstand zum Doppelhaushalt 2014/15 ist, wisse man nicht. »Der Senat hat sich da einen Maulkorb verpasst, der erstaunlich gut funktioniert«, so Steinbach. Man rechne aber damit, dass in den nächsten zwei bis drei Wochen die für die Unis relevanten Entscheidungen getroffen würden. Etwa Ende Juni soll der Haushaltsentwurf an das Parlament übergeben werden. »Berlin wirbt damit, eine kreative, intelligente und weltoffene Stad zu sein, wozu wir nicht unerheblich beitragen«, meint HU-Präsident Olbertz. »Die Politik muss nun die Prioritäten setzen.«

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