nd-aktuell.de / 30.05.2013 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 4

Was tun gegen Lobbyismus?

Christina Deckwirth ist Politologin und arbeitet bei Lobbycontrol

nd: Vor kurzem wurde bekannt, dass der Kanzleramts-Staatsminister Eckart von Klaeden ab Jahresende als Cheflobbyist zum Autobauer Daimler wechseln wird. Was könnte sich der Konzern von dem Wechsel des CDU-Politikers erhoffen?
Deckwirth: Daimler will Insiderwissen und gute Kontakte in die Politik. Beides hat Herr von Klaeden. Das macht ihn für das Autounternehmen so interessant. An dieses verkauft er nun sein Wissen weiter.

Gibt es Hinweise darauf, dass es schon länger enge Kontakte zwischen von Klaeden und Daimler gab?
Darüber ist mir nichts bekannt. Es ist aber schon deutlich geworden, dass die jetzige Bundesregierung eine sehr autofreundliche Politik macht.

SPD, LINKE und Grüne verlangen die Entlassung des Staatsministers. Wegen der zu erwartenden Interessenkollisionen bestehe eine absolute Unvereinbarkeit. Ist diese Forderung gerechtfertigt?
Ja. Auch wir von Lobbycontrol fordern die Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, den Staatsminister sofort zu entlassen. Sie macht sich ansonsten unglaubwürdig. Ihre Bundesregierung würde in den kommenden Monaten unter dem Verdacht stehen, dass ihre Politik von einem Autolobbyisten beeinflusst wird. Daimler hat viele Interessen, etwa in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik.

Könnte mit einer Karenzzeit, in der ein Wechsel in Lobbytätigkeiten für ausscheidende Spitzenpolitiker gesetzlich verboten ist, die Einflussnahme von Unternehmen auf die Politik verringert werden?
Das ist richtig. Wir fordern deswegen eine dreijährige Karenzzeit für Kanzler, Minister, Staatsminister sowie Staatssekretäre. Diese Frist würde ihre Attraktivität für die großen Unternehmen deutlich verringern. Denn nach dieser Zeit wären das Wissen über und die Kontakte in die Politik nicht mehr so wertvoll. Eine Karenzzeit schafft außerdem Anreize, sich eine Anschlussbeschäftigung in einem unproblematischen Bereich zu suchen. Zumindest würde man mit einer solchen Regelung der bisherigen Praxis einen kleinen Riegel vorschieben.

Der Parlamentsgeschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, hat nun erneut eine Karenzzeit von 18 Monaten verlangt. Warum ist das aus Ihrer Sicht zu kurz?
Weil nach 18 Monaten die früheren Kollegen des ausgeschiedenen Politikers noch immer im Amt sein können. Die Kontakte des Politikers, der in die Wirtschaft wechseln will, können dann für Konzerne noch von Bedeutung sein.

Lobbyismus ist seit vielen Jahren ein parteiübergreifendes Problem. Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass sich nach der Bundestagswahl im Herbst bei diesem Thema wirklich etwas ändern wird?
Eine gewisse Hoffnung haben wir diesbezüglich schon. Denn neben der SPD haben auch die anderen beiden Oppositionsparteien im Bundestag Anträge zu diesem Thema gestellt. Die Grünen wollen eine Karenzzeit von drei Jahren und die Linkspartei fordert fünf Jahre. Ob sich bei diesem Thema dann auch wirklich etwas tut, wird sicherlich davon abhängen, wie die nächste Bundesregierung aussieht und ob sich die Oppositionsparteien nach der Wahl auch an ihre kürzlich gestellten Anträge halten werden.

Fragen: Aert van Riel