Abbas wieder auf der Suche nach einem Premier

Der Akademiker Hamdallah hielt es nur 18 Tage im Amt des Ministerpräsidenten aus

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach nur 18 Tagen im Amt hat der palästinensische Ministerpräsident Hamdallah seinen Rücktritt eingereicht. Vorausgegangen war ein heftiger Streit mit seinen beiden Stellvertretern um die Kompetenzen des Regierungschefs.

Palästina schaute auf Anabta. Stunde um Stunde redeten dort, in dem kleinen Dorf östlich von Tulkarem, Vertraute von Präsident Mahmud Abbas auf Rami Hamdallah ein und versuchten ihn davon zu überzeugen, nicht vom Amt des Premierministers zurückzutreten. Doch Hamdallah, Linguist und bis vor kurzem Präsident der Universität Nablus, ließ sich nicht umstimmen. Er stehe hinter der Politik von Abbas, ließ er einen Freund ausrichten. Aber als Regierungschef müsse er regieren können - und das könne er nicht.

Denn als Hamdallah am 2. Juni zum Nachfolger Salam Fajads ernannt wurde, stellte ihm der Präsident mit Mohammad Mustafa und Ziad Abu Amr gleich zwei Stellvertreter zur Seite, und übertrug ihnen einige der Kernkompetenzen, die eigentlich dem Regierungschef zustehen. So liegt der Zugriff auf die Finanzen bei Mustafa, der bis vor Kurzem Chef des palästinensischen Investmentfonds war.

Mit diesem Konstrukt wollte Abbas verhindern, was unter Hamdallahs Vorgänger Fajad zum Problem für den Präsidenten geworden war: Fajad hatte mit Argusaugen über jeden Cent auf den Konten der palästinensischen Regierung gewacht. Bei ausländischen Geldgebern hatte ihn das beliebt gemacht. Doch die Funktionäre im Umfeld von Abbas mussten auf finanzielle Zuwendungen verzichten, was wiederum Abbas' Stellung im Machtgefüge der Palästinensischen Befreiungsorganisation im Allgemeinen und der Fatah-Fraktion im Besonderen ins Wanken brachte.

Dies ist auch der Grund dafür, dass sich Abbas für den Politikneuling Hamdallah entschieden und den eigentlich favorisierten Mustafa nur zum Stellvertreter gemacht hatte: Mustafa wäre der internationalen Gemeinschaft als Regierungschef nicht zu vermitteln gewesen, weil er selbst unter Korruptionsverdacht steht.

Die Palästinenser brauchen Unterstützung aus dem Ausland dringender als je zuvor. Auf umgerechnet mindestens drei Milliarden Euro sind die Schulden Palästinas mittlerweile angeschwollen; mindestens 200 Millionen Euro im Jahr müssen allein für den Zinsdienst aufgewendet werden. Gleichzeitig hat die Arbeitslosigkeit in diesem Monat einen Rekordstand erreicht.

Hamdallah hatte allerdings nach seinem Amtsantritt feststellen müssen, dass er von seinen beiden Stellvertretern nicht als Vorgesetzter, sondern als Strohmann gesehen wurde, der das Ausland beruhigen sollte, wie ein Kommentator des Senders Maan TV sagte. Vor allem Mustafa habe sich so verhalten, als sei er Regierungschef, auch ohne den Titel.

Bei den Hauptgeberländern hat diese politische Krise Entsetzen ausgelöst. Er solle endlich für klare Verhältnisse sorgen, teilte die Europäische Union dem Präsidenten am Freitag über ihre Diplomaten mit. Und das US-Außenministerium kündigte bereits an, Minister John Kerry werde die Situation während seiner nächsten Gesprächsrunde mit den Palästinensern Anfang kommender Woche thematisieren.

Die USA hatten nach dem Besuch Präsident Barack Obamas eine Finanzspritze von etwa 500 Millionen Euro zugesagt. Nach dem Rücktritt Fajads war Abbas allerdings gewarnt worden, er müsse für politische Stabilität sorgen, wenn er auf Hilfe hoffe.

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