Präsident Zeman will eine Expertenregierung

Votum im tschechischen Parlament ist offen

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 2 Min.
Tschechiens Staatspräsident Zeman hat sich für eine Expertenregierung ausgesprochen, die das Land nach dem Rücktritt von Premier Necas bis zu den nächsten Wahlen führen soll. ODS-Kandidatin Nemcova hat für diesen Fall bereits abgesagt. Ihr Regierungspartner TOP09 und linke Parteien wünschen vorgezogene Neuwahlen.

Der tschechische Staatspräsident will eine schnelle Lösung der gegenwärtigen Regierungskrise. Die kann laut Milos Zeman aber nicht in einer Fortsetzung des bisherigen Kabinetts unter einem neuen Vorsitz bestehen. Vielmehr soll eine Expertenregierung die Geschäfte bis zu den kommenden Wahlen führen. Der Präsident betonte, dass die Ernennung einer solchen Regierung nicht im Widerspruch zur Verfassung stehe. Ob sie allerdings bis zu den regulären Wahlen im Frühjahr nächsten Jahres amtiert oder nur bis zu vorgezogenen Neuwahlen, hängt wesentlich vom Verhalten der Parlamentarier ab.

Nicht nur die oppositionellen Sozialdemokraten und Kommunisten, auch die Regierungspartei TOP09 von Außenminister Karel Schwarzenberg wünschen eine vorzeitige Auflösung des Abgeordnetenhauses und vorgezogene Neuwahlen. Die stärkste Koalitionskraft, die Demokratische Bürgerpartei (ODS), enthält sich bislang einer Stellungnahme. Lediglich die von der ODS als neue Premierministerin vorgeschlagene Miroslava Nemcova erklärte, für den Vorsitz einer Expertenregierung stehe sie nicht zur Verfügung.

Hingegen könnte laut Beobachtern der frühere sozialdemokratische Finanzminister Jiri Rusnok in die engere Wahl fallen. Doch gibt es aus der Kanzlei Zemans keine Bestätigung des Namens, andere mögliche Kandidaten werden ebenfalls nicht gehandelt. Klar ist nur die Überzeugung des Staatspräsidenten, dass mit dem gegenwärtigen Kabinett eine Fortführung der tschechischen Politik nicht denkbar sei. Es habe ein System der Korruption und Vetternwirtschaft geherrscht, an dem mehr oder weniger alle Kabinettsmitglieder beteiligt gewesen seien, meint Zeman. Daher könnten jene, die die gegenwärtige Krise des Landes verschuldet haben, nicht weiter politische Verantwortung tragen.

Zeman war zur ersten direkten Präsidentenwahl in Tschechien mit dem Versprechen angetreten, die Necas-Regierung zu stoppen. Dies habe sich nun erfüllt, war aus der Umgebung des ehemaligen Sozialdemokreten zu hören. Zeman soll sich in seiner polternden, volkstümlichen Art zufrieden über den Gang der Dinge gezeigt haben, wurde aus dem Sommersitz Lany kolportiert. Im Verlaufe des Dienstags werde der Präsident seine Personalentscheidung mitteilen, hieß es offiziell aus der Kanzlei Zemans. Doch dürfte es eine Expertenregierung im Abgeordnetenhaus schwer haben. Beobachter rechnen mit einem baldigen Misstrauensvotum und letztlich doch mit einer Selbstauflösung des Parlaments. Dann sollten in drei Monaten Neuwahlen anstehen.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal