In Tschechien tritt die zweite Reihe vor

Rusnok bildet ein Kabinett nach des Präsidenten Geschmack

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 3 Min.
Tschechiens Staatspräsident Milos Zeman, der am 27. Juni den Ökonomen Jiri Rusnok mit der Regierungsbildung beauftragt hatte, wird dessen Kabinett am Mittwoch in Prag vorstellen.

Jiri Rusnok hat seine Regierungsmannschaft beisammen. Als letzter trat Jan Fischer, ehemals selbst Premier und früher Chef des Statistikamtes, dem Kabinett bei. Fischer soll Finanzminister und Erster Vizepremier werden.

Rusnok hat ein Kabinett zum Wohlgefallen des Präsidenten gebildet. Zu den ersten Staatsdienern gehören einige Sozialdemokraten und Politiker, die Zeman bereits im Präsidentenwahlkampf unterstützt hatten. Zwar erklären tschechische Politologen, bei der Ministerriege handele es sich um Personen aus der zweiten Reihe, doch zumindest gute Beziehungen zur einheimischen Wirtschaft können sie vorweisen. Und die »erste Reihe« hat sich gerade durch Korruptionsaffären diskreditiert.

Der Premier selbst verwaltete bisher den Rentenfonds der niederländischen ING-Bank. Finanzminister Jan Fischer agierte nach seinem Abschied vom Posten des Regierungschefs 2010 als Vizepräsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, bis er sich im Sommer 2012 entschloss, für die Präsidentschaft zu kandidieren. Außenminister Jan Kohout, der dieses Amt bereits unter Fischer bekleidete, wechselt nun vom Aufsichtsrat des tschechischen Energieriesen CEZ in die Regierung. Industrieminister Jiri Cienciala war bisher Vizepräsident des Industriellenverbandes.

Justizministerin Marie Benesova wird die einzige Dame unter den 14 Ministern sein. Die sozialdemokratische Politikerin war von 1999 bis 2005 Generalstaatsanwältin der Republik und wurde während der Regierungszeit Mirek Topolaneks (2006-2009) bereits als Schattenministerin gehandelt.

Bei den übrigen Ministern handelt es sich um gestandene Männer um die Fünfzig, die bereits seit Längerem verschiedene Funktionen im Staats- oder Verwaltungsapparat ausübten. Verteidigungsminister Vlastimil Picek ist der einzige, der schon unter dem zurückgetretenen Premier Petr Necas im Amt war.

Jetzt haben die Streiter um Jiri Rusnok 30 Tage Zeit, das Parlament sowohl von ihren persönlichen Fähigkeiten als auch vom vorgelegten Haushaltsplan zu überzeugen. Innerhalb dieser Frist muss die Vertrauensabstimmung erfolgen. Rusnok selbst ist überzeugt, dass seine Regierung die Zustimmung der Abgeordneten erhält. »Andernfalls wäre ich gar nicht erst angetreten, denn Zeit habe ich auch nicht zu verschwenden«, gibt er sich selbstbewusst.

Dennoch bleibt die Unterstützung durch die Fraktionen im Abgeordnetenhaus fraglich. Den rechten Parteien dürfte das Kabinett zu »linkslastig« sein. Schon berichtet die Presse, dass fünf der kandidierenden Minister vor der »Samtenen Revolution« Mitglieder der KP der Tschechoslowakei waren, auch Premier Rusnok soll die Kandidatur beantragt haben. Das Kabinett könnte daher zwar die Stimmen von Sozialdemokraten und Kommunisten erhalten, doch die reichen nicht aus. Und zweifelhaft scheint, dass die bürgerlichen Parteien TOP09 und ODS der Regierung ihr Vertrauen aussprechen. Könnte gut sein, dass sie Präsident Zeman eins auswischen wollen. Der hatte zwischendurch schon mal angekündigt, dass im Falle eines Scheiterns von Rusnok die Parlamentspräsidentin Miroslava Nemcova eine Chance bekommen könnte.

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