Mit von der Partie war ein Guttenberg

Stefanie Waske enthüllt: Die Unionsparteien hatten einen eigenen Geheimdienst

  • Uli Gellermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Darf man das? Einen parteieigenen Geheimdienst gründen? Danach fragte die CDU/CSU nicht, als sie nach der Wahl Willy Brandts zum Bundeskanzler 1969 plötzlich von den Informationen des Bundesnachrichtendienstes abgeschnitten schien. Einen Parteigeheimdienst dürfte man ganz sicher nicht aus Steuergeldern finanzieren. Aber dieses kleinliche Bedenken plagte die Union nicht, wie Stefanie Waske in ihrem Buch »Nach Lektüre vernichten« belegt.

1970 wechselte der BND-Mitarbeiter Hans Christoph von Stauffenberg vom staatlichen Geheimdienst in die Protokollabteilung der bayerischen Staatskanzlei. »Da gibt es aber wenig für mich zu tun«, bekannte er. Na klar, denn sein eigentlicher Job war der Aufbau des Parteigeheimdienstes. Die Stelle in der Staatskanzlei diente nur der finanziellen Absicherung des Privatspions.

Es muss ein tiefer Schock für die über zwanzig Jahre lang in der Bundesrepublik herrschende Union gewesen sein, nun plötzlich nicht mehr an den Fleischtöpfen der Regierungsgewalt zu sitzen. Noch schlimmer jedoch in ihren Augen, wer nun an Schalthebeln der macht saß: der Sozialdemokrat und Emigrant Brandt, der ehemalige Kommunist Herbert Wehner und Horst Ehmke, der mit einer tschechischen Frau verheiratet war. In den Augen strammer Unionler alles unsichere Kantonisten. Und die starteten dann auch noch einen Kurswechsel mit der Neuen Ostpolitik, die zu einer gewissen Anerkennung der DDR führte - von der Union als Ausverkauf deutscher Interessen begriffen.

Stefanie Waske beschreibt diese Hybris ziemlich präzise und versorgt ihre Leser mit Details über das Personal und die Finanzierung des Parteigeheimdienstes. Zu deren Informationsempfängern gehörten Prominente nicht nur in der CDU-CSU-Spitze, sondern auch die Springermedien, Industriebosse und sogar der Vatikan. Sachlich und mitunter irritierend nüchtern breitet die Politikwissenschaftlerin ihre Erkenntnisse aus.

Sie zitiert einen der Gründer dies Geheimdienstes der Union, Karl Theodor zu Guttenberg senior, den Großvater: »Noch keiner hat je die Freiheit auf leichtem Weg gewonnen.« Als hätte ausgerechnet der Mann vom rechten Rand der Union ein Abonnement auf Freiheit. Hier hätte man sich von der Autorin doch einen Kommentar gewünscht. Sie attestiert dem Motor des Dienstes, Freiherrn Hans Christoph von Stauffenberg, der bereits im Mai 1933 Mitglied der NSDAP geworden ist, er habe sich »innerlich« vom Nationalsozialismus gelöst. Nun gut. Dass aber Promotoren des Dienstes wie der spätere Bundespräsident Karl Carstens bereits 1934 Mitglied eines SA-Sturms, der spätere Bundeskanzler Kurt Kiesinger schon im Februar 1933 NSADP-Mitglied und der aktive Mitarbeiter des Unionsgeheimdienstes Wolfgang Langkau Major der Wehrmacht war, tangiert Stefanie Waske nicht. Und über einen der Spendensammler für den Dienst, Casimir Prinz zu Sayn-Wittgenstein, wäre zu vermerken gewesen, dass dieser später kräftig »Spenden« für die schwarzen Kassen der CDU eintrieb. Als mit Helmut Kohl 1982 CDU und CSU wieder an die Macht gelangten, konnten sie sich erneut des BND bedienen und benötigten den Parteigeheimdienst nicht mehr, für dessen juristische Beurteilung sich bis dato noch kein Gericht gefunden hat.

Stefanie Waske: Nach Lektüre vernichten. Der geheime Nachrichtendienst von CDU und CSU im Kalten Krieg. Hanser Verlag, 304 S., geb., 19,90 €.

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