Das Wort der Volksvertreter

  • Helmuth Markov
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.
Mehr als 350 Parlamentarier aus über 80 Ländern beendeten gestern in Hongkong ihre zweitägige Konferenz zur Welthandelsorganisation (WTO). Ihr Treffen fand recht abgelegen vom hermetisch abgeschirmten Konferenz- und Messezentrum statt, in dem die eigentlichen Verhandlungen der WTO-Ministerkonferenz noch bis Sonntag andauern. Die Wahl der beiden Tagungsorte symbolisiert sowohl Entscheidungskraft als auch mediale Wahrnehmung der jeweiligen Veranstaltung. Die Minister verhandeln in einem der beiden großen Finanz- und Geschäftsviertel im Zentrum der Handelsmetropole. Die Abgeordneten debattierten unweit des in den 90er Jahren stillgelegten Flughafens der ehemaligen britischen Kronkolonie. Die WTO ist eine Organisation, deren Arbeit ausschließlich von den Regierungen ihrer 149 Mitgliedstaaten kontrolliert wird. Vordergründiges Ziel der gemeinsam von der Interparlamentarischen Union, einem Zusammenschluss aus 150 Parlamenten, und dem Europäischen Parlament organisierten Konferenz ist es, das undurchsichtige Gebilde WTO den Bürgern gegenüber transparenter und den Volksvertretern gegenüber verantwortlich werden zu lassen. Im Vergleich zu den vorangegangenen Zusammenkünften in Genf, Cancún und Brüssel bewiesen insbesondere die Parlamentarier aus den Entwicklungs- und Schwellenländern gewachsenes Selbstbewusstsein. Wären WTO-Chef Lamy und EU-Handelskommissar Mandelson nicht unmittelbar nach ihren Begrüßungsreden wieder entschwunden, hätten sie erlebt, wie engagiert sich die Sprecher für die Interessen ihrer Länder einsetzten. Der eingangs von beiden beschworene Weg zur bedingungslosen Öffnung der Märkte, der Liberalisierung aller Dienstleistungen und des Wegfalls von Handelszöllen fand kaum Anhänger. Es bedurfte erst eines jungen konservativen EU-Abgeordneten, der die Versammelten euphorisch dazu aufrief, in Hongkong aus dem Fenster zu schauen, um die herrliche Zukunft freier Märkte zu erahnen. Ein philippinischer Kollege riet ihm, auch durch die Straßen im Schatten der Glaspaläste zu gehen und sich dann ein Urteil zu bilden. Auf die Straße gingen denn auch tausende Menschen, die auf mehreren Demonstrationen friedlich gegen die von EU und USA dominierte Politik der WTO protestierten. Ob sie bei den Verhandelnden Gehör gefunden haben, wird sich zeigen. Die beiden Abgeordneten der Linksfraktion im EU-Parlament haben ihre Ablehnung gegenüber der gemeinsamen Resolution der Parlamentarischen Konferenz zum Ausdruck gebracht. Trotz einiger verbaler Zugeständnisse an die Entwicklungs- und Schwellenländer trägt diese Erklärung die Handschrift der neoliberalen Mehrheit der Parlamentarier. Diese sehen trotz aller Bedenken als Patentrezept die Deregulierung von Dienstleistungen, Landwirtschaft und nichtlandwirtschaftlichen Produkten an. Solange aber Handel losgelöst von den Bedingungen der Herstellung der Produkte gesehen wird, ist er nichts weiter als die Umverteilung von Waren. Handel als Bestandteil von Entwicklungspolitik sucht man in der Resolution vergebens. Zwar hat sich eine Mehrheit der Volksvertreter für den Weltmarkt liberalisierende Instrumente ausgesprochen. Jenen, die nach einem Kompromiss für die Lösung der immensen Probleme des Welthandels suchen, hat die Resolution ...

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