Poker mit »Piratensender«

Griechische Regierung will neue öffentliche Anstalt installieren

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.
Einen Monat nach der abrupten Schließung des öffentlich-rechtlichen griechischen Senders ERT hat der Nachfolgekanal am Mittwoch sein erstes Signal ausgestrahlt. Das Testbild zeigte den neuen Sendernamen EDT, einen Globus und bunte Wellen und erscheint auf der Frequenz des untergegangenen ERT.

Der Sender heißt »Griechisches Öffentliches Fernsehen« (Elliniki Dimosia Tileorasi, EDT), aber ausgestrahlt wurde am Mittwoch nur ein Testbild. Knapp einen Monat nach der plötzlichen Schließung der griechischen öffentlich-rechtlichen Medienanstalt ERT kündigte der eigens eingesetzte Minister für Öffentlichen Rundfunk und Fernsehen an, es sei eine Frage »von Stunden bis Tagen«, dass der neue Sender sein Programm aufnimmt.

Anfänglich werde man lediglich Konserven aus dem Bestand der alten ERT senden, erklärte Pandelis Kapsis nicht im eigenen, sondern im privaten Sender ANT1 am Mittwochmorgen. Gesendet wird auch nicht aus dem Gebäude der ehemaligen ERT, sondern von einem »privaten Studio«, dessen Namen der Minister allerdings nicht preisgeben wollte.

Eigene Angestellte hat EDT noch nicht, der Dialog mit den von der Regierung am 11. Juni entlassenen knapp 2700 ERT-Angestellten verlaufe aber gut, behauptet Kapsis. Man sei einer Einigung über die Bedingungen der Übernahme eines Teils der mit der Schließung von ERT arbeitslos gewordenen Medienarbeiter sehr nahe, erklärte der Minister.

Von einer Einigung könne keine Rede sein, sagen dagegen die ehemaligen Mitarbeiter der ERT. Sie halten nach wie vor das zentrale Gebäude der Medienanstalt in Athen besetzt und den Sendebetrieb von ERT trotz der Schließung rund um die Uhr aufrecht. Über Internet, da die Regierung der ERT auch die Sendestationen abgestellt hat. Die ERT-Angestellten bezeichneten den neuen Sender als »Piratensender«, da er über keinerlei Sendelizenz des griechischen Rundfunkrates verfügt. Gleichzeitig stellten sie die Frage, wer und zu welchen Arbeitsbedingungen für die Ausstrahlung des Programms eingestellt werde.

Die neue EDT ist als Zwischenlösung bis zum Aufbau der ERT-Nachfolgeanstalt gedacht. Denn der Oberste Verwaltungsgerichtshof Griechenlands hatte auf Klage des Verbandes der Mediengewerkschaften POSPERT entschieden, dass das Land jederzeit über einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehsender verfügen müsse. Bis die geplante NERIT (Neues Griechisches Radio Internet Fernsehen) in Form einer Aktiengesellschaft ihren Betrieb aufnimmt, wird allerdings noch einige Zeit vergehen. Dem entsprechenden Gesetzesentwurf stimmten am Mittwoch in der zuständigen Parlamentskommission die Regierungsparteien Nea Dimokratia und PASOK zu, die Abstimmung im Parlamentsplenum steht noch aus, von der Umsetzung ganz zu schweigen.

Bereits in der Debatte am Mittwoch äußerten die Parteien der Opposition harsche Kritik am Vorgehen der Regierung im Umgang mit der neuen und der alten Sendeanstalt.

Regierung und Ministerpräsident seien dabei, »das Verbrechen am öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen und seinen Angestellten zu vollenden«, erklärte die größte Oppositionspartei im griechischen Parlament, SYRIZA. »Skrupellos und zynisch ignorieren sie nicht nur das auf sofortige Wiederinbetriebnahme der ERT lautende Urteil des Obersten Verwaltungsgerichtshofes, sondern sind auch bereit, aus einem privaten Studio zu senden, was einen neuen Rechtsbruch darstellt«, so die Linksallianz.

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