»Keine Gewissensfrage«

Pilot Martin Locher über Abschiebungen mit dem Flugzeug

  • Lesedauer: 2 Min.
Martin Locher ist Pilot bei der Fluggesellschaft TuiFly und Vorstandsmitglied der Pilotenvereinigung Cockpit. Mit ihm sprach Johanna Treblin darüber, aus welchen Gründen Flugkapitäne sich bei Abschiebungen weigern können, den Flug zu starten.

nd: Waren Sie schon einmal Pilot eines Fluges, mit dem ein Mensch abgeschoben werden sollte?
Ja, das war ich schon.

Und wie haben Sie sich verhalten?
Man bekommt vorher schon eine Abschätzung, ob Probleme zu erwarten sind oder nicht. In dem Fall war alles ruhig.

Das heißt, in der Regel wissen Sie auch, wenn eine Abschiebung erfolgen soll?
Ja. Die Fluggesellschaft wird im Vorfeld informiert, da ja letztendlich jeder, der sich an Bord befindet und nicht zur Crew gehört, ein Ticket haben muss. Und die wiederum informiert dann den diensthabenden Piloten.

Weigern sich manche Fluggesellschaften grundsätzlich, Abzuschiebende zu transportieren?
Nicht dass ich wüsste.

Ende Juni hat sich einer Ihrer Kollegen einer Air-Berlin-Maschine geweigert loszufliegen, solange ein abzuschiebender Pakistani an Bord war. Drohen ihm Konsequenzen der Fluglinie?
Nein. Letztlich darf kein Pilot unter Druck gesetzt werden, jemanden mitzunehmen, bei dem er Sicherheitsbedenken hat, und mir ist auch keine Airline in Deutschland bekannt, bei der es irgendwelche Konsequenzen gäbe.

Und wie sieht das mit rechtlichen Konsequenzen aus?
Auch da ist es so, dass der verantwortliche Pilot grundsätzlich immer rechtlich die Befugnis hat, Passagiere abzulehnen. Also auch juristische Konsequenzen gibt es da für den Piloten nicht.

Was wären entsprechende Sicherheitsbedenken?
Wenn beispielsweise beim Einsteigevorgang Probleme auftreten, etwa aggressives Verhalten, also alles, was irgendwie den Flugverlauf beeinflussen könnte oder die Sicherheit der Crew und Passagiere an Bord, würde man sehr konservativ die Entscheidung treffen, den Passagier nicht mitzunehmen.

Das heißt, es ist keine Gewissensfrage? Auch nicht in Ihrem Fall?
Nein, es ist überhaupt keine Gewissensfrage, sondern es ist eine rein sachorientierte Frage, wo man sich überlegen muss, gibt es eventuell aus Sicherheitsaspekten Probleme an Bord.

Gibt es Austausch unter den Piloten über solche Situationen? Es kann ja auch schwierig sein, so eine Entscheidung zu treffen.
Eigentlich nicht. Da ist denke ich jeder Pilot so sicher in seinem Handeln, dass er entscheiden kann, ob Bedenken bestehen oder nicht. Das gehört für uns zum Alltagsgeschäft.

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