Friedrich will Spionageaffäre aufklären

Innenminister reist in die USA / Opposition kritisiert Merkels Haltung bei Spähvorwürfen

  • Lesedauer: 3 Min.
Antworten der USA auf drängende Fragen zu den Spähvorwürfen lassen auf sich warten. Nun reist Innenminister Friedrich nach Washington, um mehr zu erfahren. Er wirbt für Fairness gegenüber dem Verbündeten. Die Opposition indes schlägt andere Töne an: Sie kritisiert das Krisenmanagement von Kanzlerin Merkel.

Berlin (dpa/nd). Mit einem Kurzbesuch in Washington will Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) den Spähvorwürfen auf den Grund gehen - und dabei auch deutlich werden. »Unter Freunden muss man Klartext reden können«, sagte er »Spiegel online« vor seiner Abreise am Donnerstag. Im großen Stil soll der US-Geheimdienst NSA deutsche Bürger und Einrichtungen ausgespäht haben. Heute wird Friedrich mit dem US-Justizminister Eric Holder und mit der für Terrorabwehr zuständigen Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama, Lisa Monaco, darüber reden. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sprach von einer »schwierigen Aufgabe« für ihren Kabinettskollegen. »Ich glaube nicht, dass mit dieser Reise die Aufklärung beendet ist«, sagte sie der Deutschen Presseagentur.

Friedrich erklärte vor seiner Abreise, flächendeckende Überwachung sei nicht verhältnismäßig. Zugleich beklagte er aber auch mangelnde Fairness gegenüber den USA in der Debatte. »Es ärgert mich, dass man sofort und ohne genaue Kenntnis jede Verdächtigung gegen unseren amerikanischen Verbündeten in die Welt setzen kann.« Das sei nicht fair. »Ohne die Hinweise der USA und die gute Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten hätten wir höchstwahrscheinlich Terroranschläge in Deutschland nicht verhindern können.«

Heftige Kritik äußerte gestern der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel an Kanzlerin Angela Merkel (CDU). »Ich finde es unerhört, dass die Kanzlerin achselzuckend hinnimmt, dass offenbar die Grundrechte von Millionen Deutschen durch amerikanische und britische Geheimdienste verletzt wurden«, sagte er »Spiegel online«. Merkel hatte zuvor in einem Interview mit der »Zeit« Verständnis für das Abhören von Telekommunikation durch Geheimdienste zum Zweck der Terrorbekämpfung gezeigt. Zudem verwies sie auf die Zuständigkeit ihres Kanzleramtschefs Ronald Pofalla für geheimdienstliche Belange. »Anscheinend versucht Frau Merkel jetzt, die politische Verantwortung auf ihren Kanzleramtschef abzuschieben«, sagte Gabriel dazu. »Die Dimension dieses Skandals ist so groß, dass niemand anders als die Kanzlerin persönlich dafür sorgen muss, dass die Grundrechte in Deutschland verteidigt werden.«

Die Linkenpolitikerin Petra Pau hat sich für eine Enquete-Kommission zur Demokratisierung der Demokratie ausgesprochen. Diese solle nach der Bundestagswahl eingesetzt werden und sich auch der »zwielichtigen Rolle aller Geheimdienste« zuwenden. »Ob Bankenmacht, EU-Krise oder Geheimdienstpraxis, sie alle haben einen gemeinsamen Nenner: Die viel gepriesene westliche Demokratie verkommt rasant zur wertlosen Fata Morgana«, sagte Pau.

Die Bundestagsvizepräsidentin nannte die Empörung deutscher Politiker anlässlich der Spionagevorwürfe gegen US-Nachrichtendienste »platt« und den Besuch von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich in den USA, der zur Aufklärung beitragen soll, »matt« - Pau verwies dazu darauf, dass Bundesregierungen in der Europäischen Union erwirkt haben, »dass Passagiergastdaten (PNR), Bankendaten (SWIFT), Telekommunikationsdaten (Vorratsdatenspeicherung) erfasst und an alle ›befreundeten‹ Geheimdienste weitergeleitet« würden.

Von den Ergebnissen seiner Gespräche in den USA soll Friedrich dem Innenausschuss des Bundestages berichten. Am kommenden Mittwoch kommt der Ausschuss zu einer Sondersitzung zusammen. Der Ressortchef will in der nächsten Woche auch dem Parlamentarischen Kontrollgremium Rede und Antwort stehen, teilte der Innenausschuss gestern auf Anfrage mit. Der Termin dafür steht noch nicht endgültig fest.

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