nd-aktuell.de / 19.07.2013 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 10

Kampfansage an Steuertrickser

Beim G20-Gipfel in Moskau stellt die OECD ihren neuen Aktionsplan vor

Hermannus Pfeiffer
Multinationale Konzerne verschieben ihre Gewinne in Staaten, in denen sie wenig oder gar keine Steuern zahlen müssen. Dagegen hat die OECD einen Aktionsplan entwickelt, der beim nun beginnenden G20-Gipfel diskutiert wird. Grüne und LINKE-Politiker sind allerdings skeptisch.

Der Gestaltungsspielraum für Steuervermeider ist riesig. Die Steuerflucht der Konzerne und Millionäre ist meistens legal. Etwa eine Billion Euro gehen Jahr für Jahr durch Steuerumgehung allein in Europa den Staatshaushalten verloren, schätzt der litauische EU-Steuerkommissar Algirdas Šemeta. Abhilfe soll der G20-Gipfel der zwanzig wichtigsten Wirtschaftsmächte bringen, der nun am 19. Juli in Moskau beginnt.

Schuld ist Starbucks: Der Kaffeekönig hatte während der Adventszeit 2012 in London das Fass zum Überlaufen gebracht. Allein auf der britischen Insel macht der für hochprofitabel geltende Gastronomiekonzern mit grünem Image pro Jahr umgerechnet rund 500 Millionen Euro Umsatz - und zahlt keine Gewinnsteuern. Der Trick: Starbucks-Großbritannien überweist hohe Lizenzgebühren an seine Europa-Zentrale in den Niederlanden, dort erhält der US-Konzern Steuervergünstigungen für seine Holding-Zentrale. Auch Google, Amazon oder Apple verfahren nach diesem Muster. Berlin nahm den Ball aus London auf und machte Druck auf amerikanische Unternehmen. »Das ist das Hochreck aggressiver Steuergestaltung«, hieß es im Dezember aus dem Bundesfinanzministerium.

Unter der wirtschaftsliberalen Marke »Steuerwettbewerb« war und ist der steuerpolitische Flickenteppich allerdings durchaus politisch gewollt. Teils, um wirtschaftlich schwächere EU-Mitgliedsländer zu stützen; teils, um in der globalen Konkurrenz mit Nordamerika und Südostasien bestehen zu können. Mit der Staatsschuldenkrise scheint jedoch ein Umdenken eingesetzt zu haben. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnte zusammen mit dem konservativen britischen Schatzkanzler George Osborne vor einer Aushöhlung der Unternehmenssteuern und klagte in einem Schreiben an seinen Amtskollegen in Washington über einen »inakzeptablen Zustand«.

Daraufhin legte die Europäische Kommission ein Konzept vor. Im Mai folgte dann ein EU-Gipfel, der auf eine komplexe Problemlage stieß: In der EU haben 27 Staaten 27 unterschiedliche Steuersysteme. Auch deutsche oder britische Konzerne nutzen globale Gestaltungsmöglichkeiten und verschieben Profite über die Verrechnung von Zinsen, über konzerninterne Verrechnungspreise oder - wie Starbucks - über Lizenzgebühren in Steuerparadiese. Dazu gehören neben den Niederlanden ein halbes Dutzend EU-Staaten. Seit kurzem auch Großbritannien. Wen wundert es also, dass man sich selbst in Europa nicht auf gemeinsame Regeln verständigen kann.

Auf dem G20-Gipfel steht die Steuerflucht nun ganz oben auf der Tagesordnung. Federführend ist die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD). Sie wird in Moskau ihren Aktionsplan »Base Erosion and Profit Shifting« vorstellen. Dieser dürfte im Kern darauf zielen, dass die Besteuerung am Ort der Wertschöpfung erfolgt. Auf dieser Grundlage werden die Finanzminister das weitere Vorgehen diskutieren.

Sven Giegold reicht das nicht. Der grüne Finanzpolitiker beklagt gegenüber »nd« einen »Systemfehler«: Nationale Steuersysteme konkurrieren um globales Kapital. »Wir brauchen einen Systemwechsel zu einer Besteuerung der Gewinne nach einer Wertschöpfungsformel mit Mindeststeuersätzen«, forderte Giegold.

Skeptisch blickt auch LINKE-Vize Sahra Wagenknecht nach Moskau. Die Bemühungen der OECD seien zwar »ehrenwert«, konkrete Folgen aber auf Jahre nicht absehbar, sagte sie dem »nd«. Bei entsprechendem politischen Willen seien jedoch auch ohne vorherige internationale Einigung sofortige Maßnahmen möglich. Wagenknecht erinnert an das FATCA-Gesetz der USA, mit dem global operierende Banken zur Mithilfe bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung gezwungen werden. Als Druckmittel ließe sich beispielsweise der Marktzugang in Europa einschränken.