Die Telekom gewinnt auf jeden Fall

Geplante EU-Verordnung stellt die Vertragsfreiheit der Internetprovider über die Netzneutralität

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die EU-Kommission will entgegen früheren Ankündigungen die Netzneutralität nun doch nicht in einer Richtlinie verankern. Ein im Internet aufgetauchter Entwurf zerstört die Hoffnungen vieler Netzaktivisten.

EU-Kommissarin Neelie Kroes ist im Vergleich zu anderen Politikern eine durchaus eifrige Nutzerin des Kurznachrichtendienstes Twitter. Täglich sendet sie meist mehrere Botschaften an ihre 78000 Verfolger. Vieles davon ist kaum berichtenswert und der übliche Politikersprech. Freude dürfte in der Netzgemeinde eine Botschaft vom 30. Mai ausgelöst haben. Da twitterte Kroes: »Blocken und drosseln von Internetdiensten und Apps schadet uns allen, es gibt keine Gründe, wettbewerbsfeindlich zu sein. Bitte unterstützt mich, um das zu stoppen«. Versehen war die Botschaft noch mit dem Stichwort Netzneutralität. Sollte sich die niederländische Politikerin, bei der EU-Kommission zuständig für die Digitale Agenda, tatsächlich auf die Seite derer geschlagen haben, die im Gegensatz zu den großen Internetanbietern eine Gleichbehandlung aller Datenpakete im weltweiten Datenstrom fordern?

Zwei Monate später dürften sich die Hoffnungen zerschlagen haben: Die Betreiber von Netzpolitik.org stellten vor wenigen Tagen einen bisher geheimen Entwurf der EU für eine neue Telekommunikationsverordnung ins Internet, dessen Veröffentlichung für nächsten Herbst geplant war.

Darin heißt es eindeutig: Anbietern von Inhalten und Services soll es erlaubt sein, untereinander Vereinbarungen über die »Behandlung von Datenvolumen oder die Übermittlung von Traffic« zu schließen. Für EU-Kommissarin Kroes ist die Vertragsfreiheit der Internetanbieter wichtiger als das Ziel von Netzneutralität.

Im Grunde befördert dieser Teil der EU-Vorlage genau jenes Vorhaben, das die Telekom in Deutschland kürzlich verkündete. Der Konzern will die Internetverbindung seiner Kunden mit dem Erreichen eines bestimmten Datenvolumens drosseln und dabei jene Inhalteanbieter von der Bremse befreien, die dafür an die Telekom zahlen. Unabhängige Projekte oder finanziell schwächere Anbieter von Inhalten wären somit schwerer für Internetnutzer erreichbar, befürchten Kritiker. Genau dieses Horrorszenario könnte nun durch die EU drohen.

Würde die Verordnung im bisherigen Wortlaut in Kraft treten, wären zudem bisherige Regelungen zur Netzneutralität in den Niederlanden und Slowenien hinfällig. Beide Länder sind bisher die einzigen Staaten in der EU, die sich in Gesetzen klar für die Netzneutralität entschieden haben. Auch eine von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) geplante und umstrittene deutsche Verordnung würde durch die EU-Pläne wohl obsolet. Rösler will zwar die Gleichbehandlung von Datenpaketen unabhängig von Inhalt oder Ziel durchsetzen, dabei aber die eigenen Dienste der Provider von der Regelung ausnehmen. Große Gewinner wären auch hier wieder Anbieter wie die Telekom, die sowohl den Zugang zum Netz kontrollieren als auch Inhalte wie Videoplattformen betreiben.

Kroes ging mittlerweile in die Gegenoffensive und erklärte via Twitter, die Berichte über den weiter zu überarbeitenden Entwurf seien »irreführend« und sie stehe weiter für ein »offenes Netz«, wie sie es versprochen habe. Solche Aussagen lieferte Kroes schon vor Monaten auf Twitter.

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