Comeback der NS-Kader

Eine Studie zeigt auf, wie der bayerische Verfassungsschutz auf den Strukturen des Naziregimes aufgebaut wurde

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 3 Min.
Der bayerische Verfassungsschutz rekrutierte in den 50er Jahren eifrig ehemalige Nazis. Die US-amerikanischen Besatzer hegten anfangs Bedenken, duldeten das Personal aber. Schließlich herrschte Kalter Krieg.

Der »Geist des Hauses«, er soll häufiger bei der Befragung von Mitgliedern des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutzes (LfV) im NSU-Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags zur Sprache gekommen sein. Diesem Geist, der in den Anfangsjahren des Geheimdienstes vor allem ein brauner Spuk war, geht eine von der Grünen-Fraktion in Auftrag gegebene historische Studie nach. Demnach wurde der Verfassungsschutz wesentlich von ehemaligen Angehörigen der Gestapo, der SS und der NSDAP aufgebaut.

Nazis in den Behörden und der Staatsregierung seien ein »Massenphänomen« gewesen, so der grüne Landtagsabgeordnete Sepp Dürr bei der Vorstellung der Studie »Die braunen Wurzeln des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz« am vergangenen Montag im Maximilianeum. Verfasst von den Historikern Susanne Meinl (Universität Münster) und Joachim Schröder (FH Düsseldorf), beschäftigt sich die Studie damit, wie stark die NS-Verstrickung der Behörde in den Gründerjahren war und welche Auswirkungen dies möglicherweise bis in die jüngste Vergangenheit auf die Ausrichtung und den Geist der Behörde hatte.

Rudolf Fumy war einer der »Experten«, die im Kalten Krieg der beginnenden 50er Jahre von den westdeutschen Sicherheitsbehörden angestellt wurden. Der Kriminalrat und SS-Sturmbandführer zeichnete sich in seiner zwölfjährigen Tätigkeit bei der Gestapo vor allem in der Bekämpfung des »Bolschewismus« aus, und zwar in der Abteilung Aufklärung. Fumy mordete und folterte nicht selbst, sondern sammelte Informationen über die illegale KPD, schrieb Berichte und gab diese an die »Exekutive« weiter. Wie viele Widerstandskämpfer deshalb ihr Leben verloren, ist - so die Studie - unbekannt. 1955 nun ist ebendieser Rudolf Fumy für eine leitende Stellung im Bayerischen Landeskriminalamt im Gespräch, es ging um den Aufbau der Abteilung IIIB - die Staatsschutzabteilung.

Der Fall Fumy werfe laut Studie nicht nur ein »bezeichnendes Schlaglicht auf die Rekrutierungspraxis« der neuen bayerischen Sicherheitsbehörden, sondern zeigt auch deren Querverbindungen auf. So bestanden zwischen dem Verfassungsschutz und dem Landeskriminalamt enge personelle Verflechtungen, bei denen die Mitarbeiter zwar vom LKA bezahlt und dort abgerechnet wurden, tatsächlich aber für das LfV arbeiteten. Auch Angehörige der Grenzpolizei wurde an das Landesamt abgeordnet.

Offiziell wurde das Landesamt für Verfassungsschutz am 1. November 1950 gegründet, es existierte aber bereits seit 1949. Die Mitarbeiter der ersten Stunde kamen von der Gestapo und der Politischen Polizei, so der stellvertretende Amtsleiter Max Noeth, der Kriminalinspektor Franz Hollweck, Kriminalkommissar Leonhard Halmanseger oder Kriminalinspektor Franz Blümlhuber. Mit »Persilscheinen« wurde ihnen Unbedenklichkeit attestiert. Was aber zunächst auf Bedenken der amerikanischen Besatzungsbehörde stieß, sie legte zunächst Widerspruch gegen eine derartige Personalpolitik ein. Das gab sich aber. Denn: »In der beginnenden Hochphase des Kalten Krieges blickten die amerikanischen Sicherheitsbehörden wie diejenigen der Bundesrepublik nicht auf die Vergangenheit, sondern auf die Gegenwart. Gefragt waren langjährige Erfahrungen im Polizei- und Nachrichtendienst sowie eine ausgeprägte antikommunistische Einstellung.«

Die Autoren verstehen ihre Studie als Anstoß zu einer gründlichen Aufarbeitung des Themas, mit dem sich die Forschung bislang kaum beschäftigt habe. Der bayerische Landtag ist dabei, eine Historikerkommission einzurichten, die ähnlich wie beim BND die Vergangenheit des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz aufarbeiten soll.

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