»Niemand darf im Dunkeln sitzen«

Energietisch und Fahrradkarawane werben für eine sozial verträgliche Energiepolitik

  • Malene Gürgen
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Neuköllner Hermannplatz stehen ein Kühlschrank, ein Laptop und eine Stehlampe. Wohnlich einrichten will sich hier aber niemand, die Geräte funktionieren auch gar nicht: Versehen mit großen Schildern, auf denen durchgestrichene Elektrizitätsblitze prangen, sollen sie darauf aufmerksam machen, was ohne Strom alles nicht mehr läuft. »Niemand darf im Dunkeln sitzen - Energiearmut bekämpfen«, verkündet das darüber hängende Transparent. Der Berliner Energietisch möchte hier für eines seiner wesentlichen Anliegen werben: Eine sozialverträgliche Energiepolitik, in der möglichst niemandem der Zugang zur Energieversorgung verwehrt wird.

»Mit seiner rigiden Stromabklemmungspolitik zeigt der Konzern Vattenfall, dass er kein Interesse an einer sozial gestalteten Energieversorgung hat«, ruft Energietisch-Sprecher Stefan Taschner über den Platz. »Wir wollen ehrlich gemeinte Beratungen für einkommensschwache Haushalte und die Anschaffung energiesparender Geräte, die sich viele Leute momentan nicht leisten können, gezielt fördern«, so Taschner. So soll verhindert werden, dass es überhaupt erst zu dem drastischen Mittel einer Stromabklemmung kommen muss.

Fast 19 000 Mal wurde in Berlin im Jahr 2012 Haushalten der Strom abgestellt, das macht im Schnitt mehr als 50 Abklemmungen am Tag. Werden die Schulden etwa durch ein Darlehen vom Jobcenter beglichen und der Strom wieder angestellt, kostet das noch mal knapp 100 Euro.

Diese Praxis will der Energietisch beenden - und sieht darin keinen Widerspruch zur Umstellung auf erneuerbare Energie. »Klimaschutz darf kein Luxus sein«, betont Hannah Schuster von der Gruppe FelS, die Bündnispartner des Energietisches ist. »Wir lassen uns nicht weismachen, dass die Energiewende nur auf Kosten günstiger Versorgung möglich ist.« Vielmehr sei die aktuelle Energiepolitik eine Umverteilung von unten nach oben: »Während einkommensschwachen Haushalten der Zugang zum Grundgut Energie verwehrt wird, werden große Unternehmen, die den Klimawandel mitverantworten, mit öffentlichen Mitteln subventioniert«, so Schuster.

Mit dabei auf dem Hermannplatz sind auch die Fahrradfahrer von der »Reclaim Power Tour«, die vor drei Tagen in der Lausitz startete und gerade Station in Berlin macht. Bis in die rheinischen Braunkohlegebiete wollen die Aktivisten vom Netzwerk »Energiekämpfe in Bewegung« radeln, unterwegs sind weitere Aktionen mit lokalen Initiativen geplant. »Wir wollen uns vernetzen und gemeinsam für eine andere Energiepolitik kämpfen«, sagt Sprecherin Antje Mensen. Gerade jetzt, wo der Senat mit seiner Terminentscheidung versuche, den Energietisch auszubremsen, sei Unterstützung wichtig.

Auf Papp-Sprechblasen können Passanten ihre Botschaften hinterlassen. »Zugang zu Strom ist mein Recht«, steht dort, oder »Vattenfall hat mir den Strom abgestellt, mir reicht›s«. Carla Berg von der Erwerbsloseninitiative Basta berichtet, dass sie in ihren Sozialberatungen häufig Menschen habe, die sich Energieversorgung kaum mehr leisten können. »Da wird dann abends das Licht nicht angemacht oder mit einem Campingkocher gekocht«, erzählt sie.

Mit dem symbolischen Sturz eines meterhohen »Vattenfall-Riesen« geht der Aktionstag am Abend in Kreuzberg zu Ende. »Den echten Sturz sehen wir dann am 3. November«, zeigt sich Taschner in Anspielung auf den Tag des Volksentscheids optimistisch.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal