Beipackzettel für Frischobst?

Rechtsanwalt Wilhelm Mecklenburg zur Greenpeace-Klage

  • Lesedauer: 3 Min.
Der Informationsrechts-Experte betreut als Rechtsanwalt die Klage von Greenpeace.
ND: Greenpeace hat die Bundesländer verklagt. Worum geht es?
Mecklenburg: Wir möchten die Daten der Länder zur Überwachung der Pestizidbelastung von Lebensmitteln erfahren. Das heißt, wir wollen wissen, wie viele Rückstände bei den Lebensmittelkontrollen gefunden wurden und wie die Labors ausgestattet sind. Die Bundesländer haben sich geweigert, darüber genauere Angaben zu machen. Ihre Begründung lautete, das seien keine Umweltinformationen, deshalb habe Greenpeace keinen Rechtsanspruch darauf. Die Länder seien gleichwohl bereit, gewisse Informationen freiwillig zu übermitteln, aber was wir dann bekommen haben, war wenig und sehr unspezifisch.

Greenpeace hat Obst und Gemüse aus Supermärkten untersucht und Rückstände von Pestiziden gefunden, die teilweise kritische Grenzwerte überschritten. Was hätten die Behörden Ihrer Meinung nach tun müssen?
Zumindest hätten sie öffentlich warnen müssen. Und wenn die Schadstoff-Belastung zu hoch ist, muss eine Anordnung erlassen und das Zeug sofort aus dem Verkehr genommen werden.
Noch gibt es in Deutschland kein Verbraucherinformationsgesetz. Worauf stützen Sie Ihre Klage?
Auf die Umweltinformationsrichtlinie der EU.

Die gilt ja nur für den Bund ...
Nein, die EU-Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet, so ist die Formulierung. Das umfasst nicht nur die Nationalstaaten, sondern alle öffentlichen Stellen, sprich, alle nachgeordneten Ebenen bis hinunter zu den Kommunen. Die EU hat das so eingerichtet, damit man nicht mit dem föderalen System die Richtlinie aushebeln kann. Das ist lange durchkonjugiert.

Hat eine Richtlinie Gesetzeskraft?
Die Richtlinie ist kein stumpfes Schwert, sondern genau formuliert. Danach müssen schon jetzt Informationen über den Zustand der menschlichen Gesundheit einschließlich der Kontamination von Lebensmitteln veröffentlicht werden. Sie gilt wie ein Gesetz.

Die Lebensmittelkontrolle ist Sache der Länder. Denken Sie, dass die die EU-Richtlinie nicht gut umsetzen?
Nicht gut? Überhaupt noch nicht! Nach meiner Kenntnis hat bis zum heutigen Tag kein einziges der 16 Bundesländer ein Umweltinformationsgesetz erlassen. Das wäre seit dem 14. Februar 2005 geboten gewesen. Der Vorlauf betrug zwei Jahre, und es ist lange bekannt, dass der Bund eine Regelung treffen wollte. Und schließlich ist das ja auch im Bundesrat verhandelt worden. Die Länder waren verpflichtet, solche Gesetze für ihren eigenen Tätigkeitsbereich zu erlassen. So lange das nicht geschehen ist, ist das offensichtlich ein eklatanter Verstoß, der im übrigen bereits von der EU-Kommission verfolgt wird.

Was schätzen Sie, wie lange dauert es, bis über die Klage entschieden ist?
Die Größenordnung beim Verwaltungsgericht ist immer ein Jahr für eine Klage. Ein Klageverfahren in der Ersten Instanz kann aber auch länger dauern, je nach Gericht.

Gibt es dann Beipackzettel für Frischobst und Gemüse?
Unsere Klage bezieht sich nur auf die angeforderten Daten. Wenn wir gewinnen, heißt das noch nicht, dass automatisch alle Bundesländer mehr Informationen veröffentlichen, sondern nur, dass diese leichter einklagbar sind, weil andere Kläger sich auf unser Urteil berufen können.

Fragen: Anke Engelmann
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