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Verdachtsunabhängig

Roland Etzel über abgehörte Telefongespräche und den US-Geheimdienst

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 2 Min.

Als der Bürger Louis Capet 1793 vom Nationalkonvent zum Tode verurteilt wurde, geschah das mit einer Mehrheit von 361: 360 Stimmen. Das Beil. Die Knappheit des Urteils vermochte der Schärfe seiner Schneide nicht das Geringste zu nehmen. Wir wissen von der blutigen Angelegenheit deshalb, weil die »Bürger Capet« genannte Person in Frankreich viel besser als König Ludwig XVI. bekannt war.

Die Sache mit der Schärfe hat Parallelen zu einer Abstimmung dieser Tage in Washington. Das Raunen in der Lobby über die Knappheit des Votums war nicht zu überhören. Am Ende aber steht, dass Mittwochnacht 205 Abgeordnete des Repräsentantenhauses im US-Kongress dafür stimmten, die Datensammelwut der staatseigenen Schnüffeldienste künftig ein wenig zu bremsen, aber 217 Abgeordnete selbst kleinste Sichtblenden in die elektronische Privatsphäre der Bürger verweigerten. Sie legalisierten damit, dass die Regierung weiterhin »verdachtsunabhängig Telefonaufzeichnungen von jedem einzelnen Amerikaner in den Vereinigten Staaten« anfertigen und unbegrenzt speichern darf.

Wen die 217 damit in ihren Bundesstaaten »repräsentieren«, wissen wir nicht, vielleicht wissen sie es nicht einmal selbst. Was wir allerdings längst ahnten und inzwischen sicher wissen, ist, dass die Einschränkung »in den Vereinigten Staaten« eine dreiste Lüge ist. Aber vielleicht möchte der Präsident ja seine nächste Berlin-Rede mit den Worten krönen: »Ich bin ein Trojaner!«

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