Schwitzen in the City

Am bislang heißesten Wochenende des Jahres kam es nur vereinzelt zu Problemen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Sommerhitze in Berlin. Über Tage sind die Temperaturen tagsüber kaum unter 30 Grad gefallen und auch die Nächte blieben warm. Das hat Folgen für Mensch und Natur. Im Gegensatz zu Brandenburg gab es jedoch noch keine Waldbrände. Das liegt unter anderem daran, dass in Berlin schattige Mischwälder dominieren, erklärt Michael Pawellek von der Berliner Feuerwehr. Außerdem würden Brände in der Stadt häufig früh entdeckt. »Da reichen 20 Mann, um das Feuer unter Kontrolle zu kriegen«, sagt Pawellek. Viel häufiger brennt es an Bahndämmen oder auf Verkehrsinseln, so wie vergangenen Donnerstag an der Ringbahn. »Schuld sind zu 90 Prozent weggeworfene Kippen«, so Pawellek. Aus Sicht der Feuerwehr seien aber auch das keine großen Einsätze. Überhaupt verzeichnete die Feuerwehr am Wochenende kaum eine nennenswerte Häufung von Einsätzen - auch wenn immer wieder Rettungskräfte zu sehen waren, die Menschen mit Kreislaufproblemen behandelten. »Die Vivantes Rettungsstellen sind auf die vorausgesagten hohen Temperaturen vorbereitet«, sagt Sprecherin Mischa Moriceau. Bisher sei ein Ansturm jedoch ausgeblieben.

Der Wilmersdorfer Hausarzt Frank Fecheler beobachtet, dass vor allem die Patienten ausblieben, die aufschiebbare Anliegen haben. »Migräne, Mückenstiche, Freizeiterkrankungen wie kleine Verletzungen, Unverträglichkeiten oder Folgen des Genusses verdorbener Lebensmittel sind die typischen Probleme zur Zeit«, sagt er. Auch müssten momentan Entwässerungsmedikamente in der Dosis reduziert oder ganz abgesetzt werden. »Viel trinken, aber keinen Alkohol, Sonne meiden und die Aktivitäten auf das absolute Minimum zurückführen«, rät der Allgemeinmediziner.

Rund 740 000 Kubikmeter Wasser pro Tag wurden in der vergangenen Woche durchschnittlich verbraucht, melden die Wasserbetriebe. Das ist ein Drittel mehr als im März, aber von Spitzenwerten wie 2006 und 2010 mit 900 000 Kubikmetern noch weit entfernt. In punkto stinkende Abwasserkanäle kann Astrid Hackenesch-Rump von den Wasserbetrieben nur vorläufige Entwarnung geben. »Das wird wohl erst im September beginnen«, so ihre etwas betrübliche Vorhersage.

Die Rekordbesucherzahl von über 7000 Menschen meldeten die Berliner Bäderbetriebe am Sonnabend im Strandbad Wannsee. »Wir sind mit Mann und Maus an Bord«, sagt Sprecher Matthias Oloew, dennoch könnten Wartezeiten nicht vermieden werden. Sein Tipp: Mehrfachkarten bei einem der geöffneten Stadtbäder kaufen und mit denen dann ohne Kassenschlange zum Eingang. Wegen des heftigen Besucherandrangs musste am Sonntag sogar die Polizei eingreifen - sie war ins Sommerbad Pankow gerufen worden, als dort das Personal nicht mehr mit den strömenden Menschenmassen fertig wurde.

Christian Hönig vom Umweltverband BUND bittet die Berliner, die Straßenbäume zu gießen. Zehn Eimer einmal die Woche bei alten Bäumen und zwei- bis dreimal wöchentlich vier Eimer bei jungen Exemplaren empfiehlt er. »Weil seit einiger Zeit ein spezielles wasserspeicherndes Substrat bei Neupflanzungen eingesetzt wird, kommen junge Bäume wesentlich besser durch den Sommer.«

Sehr eingeschränkt sind natürlich die Möglichkeiten für Häftlinge, der Hitze zu entkommen. Dennoch gibt es Erleichterungen. So seien Disziplinarmaßnahmen mit Einschluss ausgesetzt, sagt Lisa Jani von der Justizverwaltung. »Freigeschaltete Wasserhähne auf den Freistundenhöfen, kalte Getränke in unbegrenzter Menge, ausgeweitete Duschmöglichkeiten oder auch die vorübergehende Erlaubnis, Fenster mit angefeuchtetem Stoff zu verhängen«, nennt Jani einige der Maßnahmen, die so lange gelten bis es wieder kühler wird.

Durch den langen Winter gebe es viel aufzuholen, daher werde gearbeitet, auch wenn es zu heiß sei, heißt es beim Bauindustrieverband Berlin-Brandenburg. Und doch kann Hivzi Kalayci von der IG BAU von einer Firma berichten, die den Betrieb für einige Tage eingestellt hatte. »Da gab es einfach zu viele Arbeitsunfälle«, sagt er. Auch werde nach Möglichkeit früher angefangen zu arbeiten. Die Gewerkschaft verteilt regelmäßig auf Baustellen sogenannte Sonno-Meter, kleine Kärtchen zur UV-Messung. »Bei den Temperaturen arbeiten viele mit freiem Oberkörper und cremen sich nicht ein, das ist eine große Hautkrebsgefahr«, so Kalayci. Für ihn unverständlich ist, dass viele Kräne und Baufahrzeuge bei Anschaffungspreisen von gerne einer halben Million Euro nach wie vor ohne Klimaanlagen bestellt werden.

»Wir sind bisher gut durch den Sommer gekommen«, sagt Bahn-Sprecher Burkhard Ahlert. Weder ICE-Klimaanlagen noch S-Bahnzüge seien bisher auffällig. Von der Temperaturentwicklung der nächsten Tage hängt ab, ob die S-Bahn-Zugachsen für vorgeschriebene Ultraschalluntersuchungen schnell genug abkühlen werden. Da könnte es zu Engpässen kommen. Als bisher einzige Auswirkung der Hitze auf den Betrieb der Berliner Verkehrsbetriebe nennt Sprecherin Petra Reetz: »Die Kollegen schwitzen halt mehr.« Fahrgäste berichten von funktionierenden Klimaanlagen in Bussen.

Die Alte Nationalgalerie musste dagegen am Donnerstag schließen. Die Klimaanlage streikte.

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