nd-aktuell.de / 29.07.2013 / Kultur / Seite 16

Musikalischer Eklektizismus

Greenville-Festival

Ralf Hutter

Es ist kein gewöhnliches Gelände für ein großes Musikfestival - aber auch das Festival selbst ist ungewöhnlich. Am Wochenende fand im »Erlebnispark« MAFZ (früher: Märkisches Ausstellungs- und Freizeitzentrum) zum zweiten Mal das Greenville statt. Das MAFZ liegt eine halbe Autostunde nordwestlich von Berlin in dem Dorf Paaren im Glien. Der Park beherbergt Schauanpflanzungen, Tiergehege, ein Restaurant und eine Schaukäserei. Für demnächst sind eine »Mallorca-Party«, eine große Pferde-Wettkampfveranstaltung und eine Forstausstellung angekündigt. Carlos Fleischmann fügt dem Reigen seit 2012 Musik-Stars aus dem In- und Ausland hinzu.

Der hauptberufliche Konzertveranstalter und ehemalige Musiker will ein Festival, bei dem alles nach seinem Geschmack ist - und der ist breit gefächert. Schon die größten Fische, die er für dieses Jahr an Land ziehen konnte, sind sehr gegensätzlich: Am Samstag spielte die New Yorker Hip-Hop-Legende Wu-Tang Clan, für Sonntagabend stand der Sänger Nick Cave auf dem Programm. »Musikalischen Eklektizismus« nennt Fleischmann gegenüber »nd« sein Konzept.

Nach seinem Geschmack soll auch das Drumherum sein, weshalb für das Festival regelrechte Jahrmarktattraktionen angekündigt waren. Die senkrechte Wände entlang rasenden Motorradfahrer kamen. Das Riesenrad aber war nicht bezahlbar, erklärt Fleischmann. Und die Freiluftbibliothek? »Die Bücher stehen noch bei mir zu Hause. Wir sind ein sehr kleines Team«, entschuldigt sich der Chef-Organisator.

Dennoch ging sein Wunsch nach einer entspannten Atmosphäre in Erfüllung. Bis Sonntag waren kein Konzert und kaum ein Verkaufsstand überlaufen, Gegröle war kaum zu vernehmen. Den Mangel an Schattenspendern machten die pausenlos laufenden Rasensprenkler wett.

Ein Nachteil für so manche Band war aber, dass eine der drei Bühnen in einer Halle steht. Die war bei der Hitze des Wochenendes unattraktiv. So spielte das außergewöhnliche Duo The Inspector Cluzo vor nicht einmal 200 Leuten, während draußen Fall Out Boy mit ihrer biederen, aber zeittypischen Mischung aus zurückgenommenen E-Gitarren-Klangwänden, mittelschnellem Rhythmus und hohem Gesang zehn Mal soviel Publikum hatten. Die beiden witzigen Franzosen begeisterten mit einer tollen Bühnenpräsenz und zeigten, dass Gitarre und Schlagzeug für exzellente Rockmusik ausreichen, und ohne dass ausgeklügelte Tempowechsel oder eine atemberaubende Technik nötig sind.

Ähnlich erging es der ihnen nachfolgenden Elektrocore-Bombe Atari Teenage Riot. Das Trio spielte vor wenigen Hundert Leuten, trieb aber mit seinen wilden Aufrufen zum Aufstand kaum weniger Menschen zum Tanzen an als gleichzeitig Bloodhound Gang draußen, die die Mehrzahl ihres tausendfachen Publikums gar nicht in Wallung brachten.

Wie es sich für ein Festival gehört, waren auch einige tolle Entdeckungen zu machen. Neben The Inspector Cluzo sind da etwa die ähnlich intensiv spielenden Death Letters und The Joy Formidable sowie die noch besseren britischen Instrumentalrocker Maybeshewill zu nennen.

20 000 Karten hat Fleischmann auf alle drei Tage bezogen verkauft - eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr.