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Rücktritt stürzt BER in neue Turbulenzen

Mit dem Großprojekt verknüpfte Platzeck seine politische Karriere, bald muss der Flughafen ohne ihn auskommen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch den Vorsitz der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) wird Matthias Platzeck Ende August abgeben. Eine Nachfolgelösung für diesen Posten, den Platzeck erst zu Beginn des Jahres von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) übernommen hatte, gab es bis zum Montagabend noch nicht.

Für das krisengeschüttelte Großflughafenprojekt BER in Schönefeld verschärft der Rückzug des brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) die ohnehin schwierige Situation. Dabei hieß es noch am vergangenen Wochenende in einem Medienbericht bezüglich des BER, Platzeck wolle »Angepacktes zu Ende bringen« und das Flughafendesaster einem Nachfolger nicht als »Bürde« hinterlassen. Nach den am Montag überraschend bekanntgewordenen Rückzugsplänen sind diese Ansagen Makulatur. Denn auch den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden wird Platzeck bei Zeiten abgeben. Über eine Nachfolge gebe es noch keine Absprache, hieß es dazu am Montagnachmittag.

Im Land Berlin geht man unterdessen davon aus, dass der Rückzug Platzecks an den Abläufen beim Flughafen BER nichts ändern werde. Aus Senatskreisen verlautete, man rechne fest damit, dass Matthias Platzeck auch noch die für den 16. August anberaumte Aufsichtsratssitzung der Flughafengesellschaft als Vorsitzender leiten werde. Platzeck selbst hatte immer wieder betont, dass die Geschäftsführung des Flughafens um Hartmut Mehdorn und Horst Amann im September oder Oktober dieses Jahres einen »abgestimmten Ablaufplan« vorlegen könne. Also quasi eine Art Gesamtkonzept inklusive eines neuen Eröffnungstermins und Angaben zu zusätzlichen Kosten für den BER, die durch die mehrmalige Verschiebung nötig werden.

Perfekter Anschluss: Der Osten spielt in der SPD keine große Rolle

Gerade Matthias Platzeck galt vorübergehend als der Beweis dafür, wie die ostdeutschen Sozialdemokraten in der guten alten SPD integriert waren. Als der Brandenburger Ministerpräsident im November 2005 Bundesvorsitzender der Partei wurde, bekamen sich die Genossen aus den alten wie den neuen Ländern kaum wieder ein.

Ein Ostdeutscher an der Spitze der ältesten Partei Deutschlands – das galt nicht nur als Vollendung der sozialdemokratischen Einheit, sondern war auch Antwort auf die schon fünf Jahre amtierende CDU-Chefin aus dem Osten, die sich zudem gerade anschickte, ins Kanzleramt einzuziehen.

Doch bekanntlich musste Platzeck nur knapp sechs Monate später aus gesundheitlichen Gründen zumindest im Willy-Brandt-Haus das Handtuch schmeißen. Platzecks wenig glücklicherer Nachfolger an der Parteispitze, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, machte de n damaligen und heutigen Finanzminister von Sachsen-Anhalt, Jens Bullerjahn, zu einem seiner Stellvertreter – aber eben nur vorübergehend.

Nach der Reduzierung der Vizes von fünf auf drei beim Parteitag im Herbst 2007 war der einstige Ingenieur aus dem Mansfeld jedenfalls nicht mehr in der engeren Parteiführung vertreten. Platzeck wie Bullerjahn – übrigens nicht nur Parteifreunde schlechthin – galten lange Zeit als Ziehsöhne der Ostsozialdemokraten der ersten Generation nach der Wende. Manfred Stolpe, Reinhard Höppner oder Harald Ringstorff hatten als Ministerpräsidenten von Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern lange Zeit die SPD-Fahne in den neuen Ländern hochgehalten – haben sich aber inzwischen aus dem politischen Alltag zurückgezogen. Das gilt noch nicht ganz für Wolfgang Thierse, der als Vorsitzender der Ost-SPD beim Vereinigungsparteitag 1990 selbstverständlich zum stellvertretenden SPD-Vorsitzenden gewählt worden war und bis 2005 in diesem Amte blieb, sich derweil aber als Abgeordneter, Präsident oder Vizepräsident des Bundestages bundesweit einen Namen gemacht hatte.

Thierse hat indes schon 2012 angekündigt, bei der Bundestagswahl 2013 nicht mehr zu kandidieren. Man kann es als politische Normalität 23 Jahre nach der deutschen Einheit betrachten, oder aber als späte Vollendung eines bis zum Abwinken praktizierten Anschlusses – ostdeutsche Sozialdemokraten jedenfalls laufen heute in den Spitzengremien der SPD nur noch unter ferner liefen. Einzige Ausnahme: Manuela Schwesig, Arbeits- und Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern ist seit 2009 eine der derweil wieder fünf Vize-SPD-Chefs. Aber im 26-köpfigen Parteivorstand finden sich ganze vier Genossen aus den inzwischen gar nicht mehr neuen Ländern. Einer davon ist Platzeck. Noch. (Gabriele Oertel)

Mit Matthias Platzeck verliert die Flughafengesellschaft jedoch nicht nur einen jahrelangen Mitstreiter und Gesellschafter, sondern auch ihren Hoffnungsträger schlechthin, der erst zu Beginn des Jahres als »Retter in der Not« den Vorsitz im Aufsichtsrat vom Berliner Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) in einer Rochade übernommen hatte. Wowereit hatte den Vorsitz aufgeben, nachdem Anfang Januar bekanntgeworden war, dass die für Herbst 2013 geplante Eröffnung des BER wegen anhaltender Schwierigkeiten mit der Brandschutzanlage nicht zu halten ist.

In einem emotionalen Fernsehinterview hatte Matthias Platzeck anschließend seine eigene politische Karriere mit dem Flughafen BER verknüpft. »Entweder das Ding fliegt - oder ich fliege.« Der brandenburgische Regierungspartner von der Linkspartei sprach Platzeck daraufhin im Zusammenhang mit dem Flughafen explizit bei einer Abstimmung das Vertrauen aus.

Wirklich auf die Beine konnte Platzeck das strauchelnde milliardenschwere Flughafenprojekt in seiner kurzen Zeit als Aufsichtsratschef indes nicht bringen. Zwar gelang es ihm, im März dieses Jahres mit Hartmut Mehdorn einen neuen Flughafenchef zu präsentieren - eine Personalie, die maßgeblich auf Platzecks Wirken und alte Kontakte zu Mehdorn zurückzuführen gewesen sein dürfte. Doch auch der von Platzeck neu berufene BER-Chef sorgte in den vergangenen Monaten zunächst eher für Unmut: Mit dem Technikchef Horst Amann trug Mehdorn öffentlich Konflikte aus, immer neue Spekulationen zur Teileröffnung des BER und Offenhaltung Tegels sorgten in der Bevölkerung für weitere Verunsicherung. Scharfe Kritik gab es zudem an dem erneuten juristischen Vorgehen der Flughafengesellschaft gegen ein Schallschutzurteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg. Inwiefern sich Mehdorns Rückhalt mit dem Rücktritt Platzecks verändern könnte, bleibt abzuwarten.

Die Berliner Grünen zollten Platzeck am Montag Respekt, forderten aber auch zugleich von seinem Nachfolger, für einen Neuanfang beim Flughafen zu sorgen. »Ein erster Schritt wäre es, den Aufsichtsrat in ein Expertengremium umzuwandeln, das nicht nur politische, sondern auch wirtschaftliche und technische Kompetenz innehat«, erklärte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Ramona Pop. Wer neuer Aufsichtsratsvorsitzender wird, müssen die Gesellschafter der Flughafengesellschaft entscheiden, die von den Bundesländern Berlin und Brandenburg (jeweils 37 Prozent) sowie dem Bund (26 Prozent) getragen wird. Das könnte indes einige Zeit in Anspruch nehmen.

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