Der schwankende Wert von Papiergeld

Im Ersten Weltkrieg fiel der Goldstandard - das Zeitalter der Währungsspekulationen begann

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 2 Min.
Weltkrieg 1914: Berlin, Paris und Sankt Petersburg schaffen nacheinander den Goldstandard ab, der über Jahrzehnte die internationalen Devisenkurse stabilisiert hatte. Die Wirkungen sind noch heute zu spüren.

Die Gold-Rallye der letzten Jahre hat das gelbe Edelmetall wieder zu einer überaus beliebten Geldanlage gemacht. Wie immer in Krisenzeiten. Mit der Finanzkrise stieg der Preis für eine Feinunze (31 Gramm) von 500 auf bis zu 1800 Dollar. Dabei spielt Gold schon lange keine Hauptrolle mehr im großen Finanztheater und ist auch wieder auf dem absteigenden Ast. Am Freitag fiel der Preis nach überraschend guten US-Konjunkturdaten unter 1300 Dollar.

Mitte des 19. Jahrhunderts hatte ein Wildwuchs an regionalen Währungen sogar den innerdeutschen Handel behindert. Mit Gründung des zweiten Kaiserreichs 1871 pochte Kanzler Otto von Bismarck für die neue Reichsmark auf eine Golddeckung, wie sie die anderen Großmächte längst besaßen. Als im Sommer 1914 das Völkerschlachten des Weltkrieges begann, hielten die Ökonomen eine reine Papierwährung noch für unmöglich. Doch nur drei Tage nach der deutschen Kriegserklärung an Russland hob das Kaiserreich per Gesetz seinen Goldstandard auf. Frankreich, Russland und selbst England taten es dem Feind alsbald nach. Die »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts« (US-Historiker George F. Kennan) ließ sich nur noch durch die Notenpresse finanzieren.

Es folgte eine schleichende Entwertung des Geldes. Die Inflation ließ sich erst recht nach dem Friedensschluss nicht mehr stoppen. Während vor dem Krieg ein goldgedeckter Dollar noch 4 Mark gekostet hatte, mussten nach dem letzten Schuss bereits 14 Mark hingeblättert werden. Auf dem Höhepunkt der Hyperinflation 1922 wurden über 4 Billionen Mark für einen einzigen Dollar gezahlt. Einige Länder versuchten, per Wiedereinführung des Goldstandards ihr Geld zu stabilisieren. Aber das halbherzige Comeback endete kläglich in Deflation, Weltwirtschaftskrise und mit dem Aufstieg Adolf Hitlers.

Die letzten zarten Bande zwischen Gold und Währung zerrissen dann am 15. August 1971. Seither versprechen auch die USA niemandem mehr, Dollar gegen Gold einzutauschen. Ohnehin hatten Goldreserven die US-Währung nur noch zum kleinsten Teil abgedeckt. Knapp zwei Jahre später folgte die Freigabe der D-Mark gegenüber dem Dollar. So zerplatzte die Nachkriegsordnung von Bretton Woods, die auf feste, aber anpassungsfähige Wechselkurse gesetzt hatte - es begann die Epoche der wilden Devisenspekulationen.

Bis heute streiten Ökonomen darum, ob feste Wechselkurse von Nutzen sind oder die Kurse lieber, wie in unseren Tagen, frei »floaten« sollten. Ein Zurück zum Goldstandard scheint ausgeschlossen, auch wenn die eigentliche Frage, die nach festen Wechselkursen, zeitlos aktuell bleibt. Jüngst drehte sich die Diskussion vor allem um den Euro. Diese neue Währung besteht im Kern aus 17 Ländern, die sich auf feste Wechselkurse verpflichtet haben - ohne Goldstandard. So gesehen fiel der Startschuss für den Euro am 4. August vor 99 Jahren.

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