Osten balgt sich um G8-Gipfel

Drei Standorte für Treffen der großen Acht in Deutschland 2015 im Gespräch

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.
Binz, Heiligendamm oder doch das schöne Sachsen-Anhalt? Der G8-Gipfel kommt 2015 wieder nach Deutschland.

Vor der Fußballweltmeisterschaft 2014 und Olympia 2016 putzt Brasilien Armenviertel aus dem Stadtbild und macht sich schick für Touristen und Fernsehkameras. Weltweit gelten sportliche Großereignisse als Motor für die Tourismusbranche und als Garant für Investitionen: Stadien werden aus- und neugebaut, Fassaden gestrichen und Straßen asphaltiert. Unüblich ist, dass sich nun in der Hoffnung auf schöne Medienbilder Städte und Regionen auch als Austragungsort für politische Events anpreisen.

2015 wird Deutschland turnusmäßig die Staats- und Regierungschef der acht großen Industrienationen zum G8-Gipfel laden. Nachdem zunächst das Ostseebad Binz auf Rügen als Gastgeber gehandelt wurde, hat sich auch das mecklenburgische Heiligendamm ins Spiel gebracht, wo 2007 bereits ein G8-Gipfel stattfand. Dann gesellte sich noch Sachsen-Anhalt dazu.

»Die mediale Aufmerksamkeit des G8-Gipfels wäre von unschätzbarem Wert für unser Bundesland und seine Wirkung mit keiner Marketingkampagne zu erreichen«, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Burkhard Lischka, der gegenüber Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) für die Bewerbung geworben hatte. Sachsen-Anhalt habe schließlich mehr UNESCO-Weltkulturerbestätten zu bieten als alle anderen deutschen Länder.

Der Grünen-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl Stephan Bischoff hält die Bewerbung für überflüssig: »Bei G8 denkt niemand an die bezaubernde Landschaft.« Für den Gipfel in Heiligendamm 2007 seien Gelder vom Europäischen Sozialfonds beantragt worden. »Der wirtschaftliche Nutzen war gering.« Auch der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Matthias Höhn, wies Lischkas Vorschlag, den G8-Gipfel 2015 nach Sachsen-Anhalt zu holen, im sozialen Netzwerk Facebook energisch zurück. »16 000 Polizisten, über 1000 Soldaten der Bundeswehr und ein dreistelliger Millionenbetrag« mussten 2007 in Heiligendamm »für dieses Schauspiel aufgebracht werden«. Dies solle sich »nicht noch einmal und nicht in Sachsen-Anhalt« wiederholen, sagte Höhn, der dort lange Landesvorsitzender der LINKEN war.

Der Gipfel 2007 war eines der letzten großen Treffen der Staats- und Regierungschefs von Deutschland, den USA, Japan, Großbritannien, Kanada, Frankreich, Italien und Russland, zu dem zehntausende Demonstranten anreisten. Mediale Aufmerksamkeit gab es weniger für herausragende Entscheidungen als für einen angeblich betrunkenen Nicolas Sarkozy sowie für Repressalien gegen Demonstranten, die über Nacht in provisorische Gefängniskäfige eingesperrt wurden.

Für Hanno Bruchmann von der Interventionistischen Linken gilt der Gipfel von 2007 dennoch als »positiver Bezugspunkt« für die Bewegung: »Heiligendamm ist durch den gelungenen Widerstand von zehntausenden Demonstranten zu einem Symbol für die Linke geworden.« Viele Menschen hätten damals zum ersten Mal zivilen Ungehorsam geleistet.

Dass der Ort nun wieder im Gespräch ist, hält Werner Rätz vom Attac-Koordinierungkreis für Ironie. »Alle Dinge geschehen zweimal: einmal als Tragödie, einmal als Farce«, sagte er mit Bezug auf Karl Marx. In Heiligendamm habe eine große europäische Bewegung die fehlende Legitimation der Gruppe der Acht gezeigt. »Noch ist nicht zu sagen, ob eine solche Entscheidung ein großes Kopfschütteln oder eine große Mobilisierung zur Folge hat.«

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