Gespieltes Erstaunen

Mehr Geheimdienstkontrolle gefordert, doch NSA in Bad Aibling ist »alter Hut«

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.
Nach neuen schweren Vorwürfen über eine allzu freizügige Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND) mit US-Partnern wird einmal mehr über stärkere Kontrollbefugnisse diskutiert.

Der BND übermittelt seit über zehn Jahren eine unbekannte, aber offenbar gewaltige Menge sogenannter Metadaten über eine Schnittstelle an den US-Geheimdienst NSA. Offen ist dabei lediglich, ob auch regelmäßig personenbezogene Daten deutscher Staatsangehöriger enthalten sind.

Nun hat der Ex-US-Geheimdienstler Edward Snowden darauf hingewiesen, dass NSA-Abhörspezialisten in der Mangfall-Kaserne im bayrischen Bad Aibling eine Kommunikationszentrale und eine direkte elektronische Verbindung zum NSA-Datennetz unterhalten.

Die Überraschung deutscher Politiker ist gespielt - gerade wenn es um die Spionageanlagen bei Bad Aibling geht. Spätestens seit 1971 war die NSA dort präsent. Dass der BND seit 1988 hier ebenfalls arbeitet, ist gleichfalls keine Neuigkeit. Zur Tarnung dislozierte man hier eine Fernmeldeweitverkehrsstelle der Bundeswehr, die 24 Stunden pro Tag in Betrieb und im Austausch mit anderen Geheimdiensten der NATO-Partner, auch der NSA ist. Neu sind lediglich die technischen Möglichkeiten, die die Spitzellust ins Gigantische wachsen lassen.

Wenn die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) in ihren Protokollen nachschauen würden, müsste ihnen auffallen, dass das Gremium bereits am 30. Mai 2000 Gast der NSA in Bad Aibling war. Man wertete die Einladung »als Ausdruck der deutsch-amerikanischen Partnerschaft und des Vertrauens«, weil man sich »vor Ort einen unmittelbaren Einblick und Überblick über die Tätigkeit in Bad Aibling« verschaffen konnte. Damals war der heutige SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier als Chef des Bundeskanzleramtes zuständig für die deutschen Geheimdienste. Derzeit wettert sein Fraktionsvize und Chef des PKGr Thomas Oppermann über die mangelnde Information der schwarz-gelben Bundesregierung.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagt, es dürfe nicht sein, dass Nachrichtendienste »außerhalb jeglicher Kontrolle ihr eigenes Süppchen kochen«, und will gemeinsame EU-Standards zur Weitergabe von Informationen. Der Vorsitzende des Innenausschusses Wolfgang Bosbach (CDU) bringt einen Geheimdienst-Beauftragten ins Gespräch. Der FDP-Innenexperte Hartfrid Wolff kann sich einen »ständigen Sonderermittler mit weitreichenden Befugnissen« vorstellen. LINKE und Grüne lehnen dies ab, denn der Beauftragte dürfe ohnehin nicht über Erkenntnisse sprechen.

Derweil verteidigte die Regierung die Kooperation von BND und NSA, zumal es keine »millionenfache Grundrechtsverletzung« gebe. Der BND verweist zutreffend auf eine 2002 getroffenen Vereinbarung. Auch die Kooperation mit anderen Diensten finde auf Grundlage des BND-Gesetzes und des G-10-Gesetzes statt, das den Zugriff auf Telekommunikationsdaten regelt, heißt es. Seite 7

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