Berlusconi lässt Regierung nicht platzen

Anhänger des verurteilten früheren Ministerpräsidenten Italiens verlangen Begnadigung

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 4 Min.
In Italien bleibt die politische Lage nach der rechtskräftigen Verurteilung Berlusconis wegen Steuerbetrug angespannt. Zwar hat der ehemalige Ministerpräsident am Wochenende erklärt, er wolle die Regierung weiter unterstützen, aber seine Koalitionspartner trauen dem Frieden nicht.

Auf einer mehr oder weniger improvisierten Kundgebung vor dem Palazzo, in dem Silvio Berlusconi in Rom wohnt, hat der zu vier Jahren Haft verurteilte Politiker am Sonntagabend fast geweint. Er war gerührt, als er die Menschen sah - die Polizei spricht von 1500, die Organisatoren von 25 000 Teilnehmern - wirklich viele waren es nicht, die ihm zujubelten und die Fahnen vom »Volk der Freiheit« (PdL) aber auch die alten von »Forza Italia« schwenkten. Von jener Partei also, mit der Berlusconi seine politische Karriere vor mehr als 20 Jahren begann. Die will er nun wiederbeleben.

Zum Urteil wegen Steuerbetrugs, das das Kassationsgericht am Donnerstag fällte, erklärte der 76-Jährige erneut, dass er absolut unschuldig sei. Verantwortlich sei »eine gewisse Linke«, die »Teile der Justiz« als Instrument benutze, um ihn von der politischen Bühne zu vertreiben. Das werde Berlusconi aber nicht zulassen und weiter »für das Wohl Italiens« arbeiten; er werde auch die derzeitige Große Koalition aus PdL und Demokratischer Partei (PD) nicht stürzen. Die müsse allerdings eine umfassende Reform der Justiz einleiten. So hält Berlusconi seine Gefolgsleute im Zaum, die eigentlich viel härter vorgehen wollen und nur aus Liebe zu ihrem Führer auf schwerwiegende Reaktionen verzichten.

Tatsächlich hatte es in den letzten Tagen in der PdL gefährliche Töne gegeben: So hatte der Koordinator der Partei Sandro Bondi erklärt, in Italien würden »bürgerkriegsähnliche Zustände« ausbrechen, wenn »die Demokratie nicht wieder hergestellt« werde. Alle Parlamentarier unterschrieben ihren Rücktritt und vertrauten diese Schreiben dem Sekretär der Partei Angelino Alfano an, der gleichzeitig auch Vize von Enrico Letta in der Regierung und Innenminister ist. Er oder Berlusconi warten wohl noch auf die passende Gelegenheit, die Erklärungen einzusetzen.

Doch die meisten politischen Beobachter in Italien sind sich einig, dass diese Regierung Berlusconi gelegen kommt. Auch wenn seine Partei »nur« Juniorpartner ist, hat sie doch genügend Macht, um die Politik entscheidend mitzubestimmen und immer damit zu drohen, die Exekutive zu Fall zu bringen, wenn Maßnahmen ergriffen werden sollen, die ihr nicht passen. Unklar bleibt jedoch, was Berlusconi tatsächlich vorhat. Nach dem ersten endgültigen Urteil gegen ihn gibt es keine Instanz mehr, die das rückgängig machen könnte. Es scheint auch ausgeschlossen, dass Staatspräsident Giorgio Napolitano den Steuersünder begnadigt.

Vielleicht möchte Berlusconi jetzt auch nur Zeit gewinnen, bis die Umfragen ihm bei Neuwahlen eine sichere Mehrheit geben oder er eine neue Führungsperson aufgebaut hat, die zumindest teilweise an seine Stelle treten kann. Im Augenblick wäre da wohl nur seine 47-jährige Tochter Marina in Sicht, die derzeit wichtige Ämter in Berlusconis Firmenimperium Fininvest bekleidet.

Die PD befindet sich in einer Art Zwickmühle. Auf der einen Seite möchte man den ungeliebten Koalitionspartner so schnell wie möglich loswerden. Andererseits aber scheint keine andere Regierung in Sicht, da sich die Bewegung der Fünf Sterne (M5S) von Beppe Grillo weiterhin weigert, über eine Zusammenarbeit mit den Demokraten auch nur nachzudenken. Außerdem macht es bei den Wählern keinen besonders guten Eindruck, wenn die relative Mehrheitspartei in der derzeitigen sozialen Lage die Brocken hinwirft. Und wie viele Stimmen die extrem zerstrittene PD bei baldigen Neuwahlen erhalten könnte, die auch noch mit dem derzeitigen abstrusen Wahlsystem stattfinden würden, ist trotz der Erfolge bei den letzten Verwaltungswahlen sehr unsicher.

Der PD-Vorsitzende Guglielmo Epifani machte aber klar: »Eine Justizreform, wie sie die PdL will, können sie vergessen.« Seine Partei müsse nun ruhig bleiben und sich »auf alles vorbereiten«. Andere Sozialdemokraten hoffen darauf, dass letztlich die Vernunft siegt. »Inmitten der größten Wirtschafts- und Sozialkrise der Nachkriegszeit müssen das Zentrum, die Rechte und die Linke des Landes mehr denn je vereint bleiben«, sagte Luigi Zanda, der Fraktionsvorsitzende der PD im Senat.

So treffen sich die Interessen von Berlusconi und den Demokraten zumindest in diesem Moment: Man macht einfach weiter wie bisher.

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