nd-aktuell.de / 06.08.2013 / Politik / Seite 6

»Der Polizei eindeutige Grenzen setzen«

Anwalt Peer Stolle klagt gegen den Polizeikessel beim Blockupy-Protest am 1. Juni in Frankfurt

nd: Herr Stolle, wie begründen Sie die Klage Ihres Mandanten?
Stolle: Im Kessel befanden sich ca. 1000 Personen. Die Polizei hat keine Einzelfallprüfung wegen möglicher Verstöße gegen das Versammlungsgesetz vorgenommen. Vielmehr wurden sämtliche Personen des Blocks eingekesselt und mehrere Stunden rechtswidrig ohne Begründung festgehalten. Bis dahin war es zu keinerlei Zwischenfällen gekommen. Nach bisherigen Erkenntnissen war der Kessel an dieser Stelle geplant.

Laut Polizei wurde gegen das Vermummungsverbot verstoßen, und Feuerwerkskörper wurden gezündet.
Auch wenn es vereinzelt zu Vermummungen gekommen oder vereinzelt Feuerwerkskörper gezündet worden sein sollen - nach meinen Erkenntnissen war das einmal der Fall -, rechtfertigt das maximal einzelne Maßnahmen, aber nicht die Kollektivhaftung einer gesamten Demonstration.

Auf welchen Erfolg hoffen Sie?
Wir gehen natürlich davon aus, dass das Verwaltungsgericht die Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme feststellt. Auch bei Blockupy 2012 wurde eine Vielzahl von Demonstranten stundenlang festgesetzt, in Gewahrsam genommen, verschiedenen Kontrollen unterzogen. Bisher wurden in den meisten Fällen entweder die Bußgeldbescheide zurückgenommen oder seitens der Gerichte festgestellt, dass die polizeilichen Maßnahmen rechtswidrig gewesen sind.

Auch der Polizeikessel bei der Castor-Demonstration 2011 wurde nun für rechtswidrig erklärt. Welche politische Bedeutung hat das Urteil?
Wir werden sehen, inwieweit das Urteil auf die Rechtsprechung in Frankfurt am Main ausstrahlen wird. Aber es ist wichtig, dass die Gerichte polizeilichen Maßnahmen, die sich gegen eine Vielzahl von Demonstranten richten, eindeutige Grenzen setzt.

Trotz mehrerer Urteile gegen Polizeikessel lebt die Praxis weiter. Sie scheinen keine politischen Auswirkungen zu haben.
Es kommt darauf an. Aus Erfahrungen mit anderen Polizeieinsätzen wissen wir, dass Urteile, die die Grundrechte stärken, dazu führen können, dass Polizeieinsätze in der Zukunft anders geplant und durchgeführt werden. Es gibt auch die gegenteilige Erfahrung, nämlich dass die Polizei sehenden Auges zu rechtswidrigen Maßnahmen greift. Beispielhaft stehen dafür die Aufenthaltsverbote, die im Vorfeld von Blockupy 2012 vom Verwaltungsgericht Frankfurt für rechtswidrig erklärt worden waren. Dennoch erließ die Polizei ein paar Tage später wieder solche Aufenthaltsverbote.

Fragen: Johanna Treblin