Sexismus sells

Die Kampagne Pinkstinks engagiert sich gegen Sexismus in der Werbung

  • Celestine Hassenfratz
  • Lesedauer: 6 Min.

Was haben Ryanair, Axe, Edeka, Aldi, Netto, Astra, Elmex, Saturn, ZDF, Sparkasse und Bacardi gemeinsam? Sie alle bedienen sich sexistischer Werbung, um ihr Produkt zu verkaufen. Die Reihe lässt sich beliebig fortführen. Das aktuellste Beispiel: Eine Werbekampagne der Neuen Nordhäuser Zeitung sorgte für einen kleinen Aufschrei in den sozialen Netzwerken. Grund des Anstoßes war, dass die Zeitung für ihren neuen Internetauftritt mit einer Frau mit tief ausgeschnittenem Dekolleté warb, darunter der Spruch: »Die Neue. Kommt schneller als die Alte, ist besser gebaut und macht, was man ihr sagt.« Die Reaktionen auf Twitter und Facebook reichten von »Wie peinlich« bis hin zum Wunsch nach Einstellung der Zeitung: »Neue Nordhäuser Zeitung. Zeitungssterben kann manchmal nicht schnell genug gehen«. Auch Medien berichteten. Peter-Stefan Greiner, Chefredakteur der Neuen Nordhäuser Zeitung, kann die Aufregung um das Werbeplakat nicht verstehen. Auf dem Online-Auftritt der Nordhäuser Zeitung äußert er sich, man werbe schließlich bereits seit 12 Jahren mit diesem Motiv.

Genau darin liegt das Kernproblem des Sexismus, sagt Stevie Schmiedel, Initiatorin der Initiative »Pinkstinks«. »Sexismus in Deutschland bleibt unbeachtet, solche Plakate werden als humoristisch abgetan«. Ihre Kampagne setzt sich gegen Produkte, Werbeinhalte und Marketingstrategien ein, die Frauen sexualisieren und Mädchen eine limitierende Geschlechterrolle zuweisen.

Auch Frau Müller, Gleichstellungsbeauftragte von Nordhausen, fiel die sexistische Werbung der Zeitung auf. Sie wandte sich mit einer Beschwerde an das Blatt. Chefredakteur Greiner reagierte auf ihre Kritik nicht nur mit Unverständnis, sondern auch mit Häme: Die Gleichstellungsbeauftragte solle doch einfach alle Medien meiden, wenn sie keinen Sinn für Humor habe. Daraufhin schaltete sich auch der Landesfrauenrat Thüringen ein und forderte Greiner auf, die sexistische Werbung einzustellen. »Die Reaktion des NNZ Chefredakteurs zeigt deutlich: Debatten um den Alltagssexismus in Deutschland sind mehr als nötig«, sagte Ilona Eisner, Vorsitzende des Landesfrauenrat Thüringen.

»Jedes zweite Mädchen ist heute mit ihrem Körper unzufrieden. Sexistische Werbung vermittelt den Mädchen, sei nett, sei lieb, sei verfügbar, das wirkt sich ganz real auf die Körperbilder von jungen Frauen aus«, erklärt Stevie Schmiedel von Pinkstinks. Der Initiative geht es nicht nur um Nacktheit und Sexualisierung von Frauen in Werbung, sondern auch um die Vermittlung ganz bestimmter Rollenklischees. Beispiele dafür sind das rosa Ü-Ei von Ferrero, extra für Mädchen, das als Spielzeug ultradünne Modefeen mitbringt. Oder das T-Shirt von Otto, mit dem Spruch: »In Mathe bin ich nur Deko« - nur für Mädchen.

»Es gibt keine genaue Definition was Sexismus in der Werbung eigentlich ist«, sagt Schmiedel. Auch das ist ein Ziel, für das Pinkstinks sich engagiert: »Bis 2014 wollen wir einen genauen Definitionskatalog für den Werberat entwickeln, der deutlich macht, was Sexismus in der Werbung ist«, sagt Schmiedel. Pinkstinks hat bereits erste Erfolge erzielt, eine Petition gegen das pinke Ü-Ei mit den Feen-Figuren führte dazu, dass der Verkauf der pinken Eier langsam auslief. Otto nahm das Mathe-Deko-T-Shirt nach Protesten von Pinkstinks aus dem Sortiment.

Das aktuelle Großprojekt von Pinkstinks ist die erste Demo gegen Sexismus in der Werbung, die am 1. September in Berlin stattfinden wird. Ziel der Demo ist es, Öffentlichkeit zu schaffen und ein besseres Verständnis in der Gesellschaft für sexistische Werbung herzustellen. Klar zu machen, dass es sich lohnt gegen Sexismus aufzustehen.

Chefredakteur Greiner der Neuen Nordhäuser Zeitung bleibt dabei: »Wir werden das Motiv nicht von unseren Seiten nehmen«. Überhaupt sei es absurd, der Zeitung Sexismus vorzuwerfen, schließlich seien die meisten Mitarbeiter_Innen in der Redaktion glücklich verliebt, verlobt oder gar verheiratet, argumentiert Greiner. Na, dann kann es natürlich kein Sexismus gewesen sein, sondern nur eine harmlose, witzig gemeinte Werbeaktion.

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