Obszönitäten

Nikolaus Blome / Der »Bild«-Journalist wechselt in die Chefredaktion des »Spiegel«

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Publizist Gerhard Henschel fällte in seinem 2006 erschienenen Buch »Gossenreport« ein klares Verdikt über die »Bild«-Zeitung: Mit »Bild« dürfe man als Journalist oder Politiker nicht deshalb keine gemeinsame Sache machen, weil einem die politische Ausrichtung des Blattes missfällt, sondern weil Obszönitäten und Niedertracht das Handwerk der Zeitung wie auch deren Redakteure prägen. Sein Buch werbe dafür, »die diplomatischen Kontakte zur ›Bild‹-Zeitung einzufrieren und diese Menschen zu ächten«.

Zu diesen Menschen gehört Nikolaus Blome, Leiter des Hauptstadtbüros der »Bild«, stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts der Zeitung. »Blome ist ein hervorragender politischer Journalist«, sagt dagegen Jakob Augstein, Eigentümer und Verleger der linken Wochenzeitung »Freitag«, Sparringspartner von Blome in einer Talksendung des TV-Kanals Phoenix. Das Lob hat einen Grund: Am 1. Dezember wird Blome stellvertretender Chefredakteur des Magazins »Der Spiegel« in Hamburg, und Augstein ist Sprecher der Erbengemeinschaft beim »Spiegel«.

Ein »Bild«-Mann beim Spiegel? Früher schien das undenkbar. In der Redaktion des Magazins sollen Medienberichten zufolge die Wellen dementsprechend hoch geschlagen haben. Die Mitarbeiter KG, die 50,5 Prozent der Anteile des Verlages hält, fühlt sich düpiert und murrt.

Mehr als ein Sturm im Wasserglas ist das allerdings nicht, zeigt die Personalentscheidung doch vor allem eines: Der Betrieb in den sogenannten Leitmedien dieses Landes ist mittlerweile ein selbstreferenzielles Geschäft; dessen Akteure sind deshalb austauschbar. Dass Blome für eine Zeitung arbeitet, die den Verfall der journalistischen Sitten ungehemmt betreibt, ist möglicherweise nicht einmal das Hauptmotiv des Protests der »Spiegel«-Redakteure. Wie es heißt, sollen die Mitarbeiter vor allem deshalb empört sein, weil man sie nicht vorher über die Personalie informiert habe. Wundert sich da noch jemand, dass das Ansehen von Journalisten in der Öffentlichkeit so gering ist?

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