Glück auf im Park der Instrumente

RuhrTriennale eröffnet

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 2 Min.

Heiner Goebbels sieht sich als gegenwärtiger, mittlerweile vierter, Intendant der RuhrTriennale ganz zu Recht vor allem als Vorarbeiter im Bergwerk der musikalischen Avantgarde. Nicht gleich der von heute, aber doch der, die aus den Sechzigern mit ihrem Neuerungsfuror zu uns herüber leuchtet. Mit diesem festspielkompatiblen Erkundungs-Ehrgeiz hat er jetzt zur Eröffnung des aktuellen RuhrTriennale-Jahrgangs Harry Partchs »Delusion oft he Fury« aus dem Jahre 1966 das erste Mal nach Europa geholt. Und in der Jahrhunderthalle in Bochum selbst inszeniert. Wofür er mit der Begeisterung des Publikums belohnt wurde.

Partch (1901-1974) war ein Außenseiter der Avantgarde. Ziemlich konsequent - er pfiff nicht nur auf die europäische Klassik, sondern schuf sich sein eigenes Tonsystem und erfand sich dazu auch gleich noch sein eigenes Instrumentarium. Was seine selbst entwickelten und jetzt in zwei Jahren in Köln von Thomas Meixner nachgebauten Instrumente, die auf so abgefahrene Namen wie Zymo Xyl, Surrogate Kithara, Bass Marimba, Blue Rainbow, Chromelodeon, Gubagubi oder Quandrangularis Reversum hören und auch so exotisch aussehen, an Musik erzeugen, ist keineswegs esoterisch oder verstörend. Ganz im Gegenteil.

Dieser Instrumentenpark ist bei Klaus Grünberg das Bühnenbild. Er wird nur durch einen mitten zwischen den Gerätschaften hindurchplätschernden Bach, ein paar gebirgsartig aufgeblasene Riesen-Wulste und eine aufgehende Sofakissensonne im Hintergrund sowie eine atmosphärisch raffinierte Lichtregie ergänzt. Das bietet Schaulust pur. Vor allem aber sieht man, wie das, was man hört, gemacht wird von den wieselflinken, diesmal vom Genius Loci mit Grubenlampen ausgestatteten 21 Musikern des wiederum fabelhaften »Ensemble musikFabrik«. Dabei geht’s eigentlich weder um den (sparsam sich aus Vokalisen schälenden) Text, noch um eine stringente Handlung. Die wird gleichwohl erst von fernöstlich, dann afrikanisch kostümierten Protagonisten eher rituell angedeutet.

Im ersten, mit fernöstlichen Quellen spielenden Akt des kurzweiligen 90-Minuten-Abends trifft ein pilgernder Mörder auf den Geist seines Opfers, das nach einem Kampf mit ihm Frieden findet. Im zweiten, von afrikanischer Vitalität profitierenden Akt begegnen sich eine Ziegenhirtin und ein tauber Landstreicher, die auch erst aneinander geraten und dann zueinander finden. Das entfaltet einigen Witz, spielt mit Selbstironie. Doch auch in diesem Teil bleiben die Musiker mit ihrer Abenteuer-Klangreise durch die Kontinente und Zeiten die entscheidenden Protagonisten.

Wer sich darauf einlässt, ist alsbald gefangen, staunt und freut sich darüber, auf einem ambitionierten Festival etwas - zumindest für Europa - Neues zu erleben. Dass diese Art von Avantgarde nichts Verstörendes an sich hat, nimmt man da gerne in Kauf.

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