Lohn-Schweinereien im Schlachthof

Frankreich wehrt sich gegen Sozialdumping in deutschen Schlachtbetrieben

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Deutsche Schlachthöfe beschäftigen viele osteuropäische Arbeiter - oft zu Hungerlöhnen. In Frankreich leidet darunter die ganze Branche.

In Deutschland werden wegen der niedrigen Löhne in den Schlachthöfen immer mehr Schweine aus angrenzenden Ländern geschlachtet - auch aus Frankreich. Unter den daraus folgenden Schließungen leidet die ganze Branche in der Bretagne, wo traditionell zwei Drittel der jährlich 24 Millionen französischen Schweine gemästet, geschlachtet und verarbeitet werden. Die französischen Gewerkschaften prangern an, dass es in Deutschland - im Gegensatz zu Frankreich - keinen Mindestlohn gibt und dass dort Arbeitskräfte aus Mittel- und Osteuropa weit weniger als zehn Euro pro Stunde bekommen. Das verstoße selbst gegen die umstrittene Bolkestein-Richtlinie über den europaweit freien Wettbewerb von Dienstleistungen. Dort ist festgelegt, dass die »zeitweise entsandten« ausländischen Arbeitskräfte zwar in ihrer Heimat sozialversichert bleiben, aber im Gastland auf dem hier üblichen Lohnniveau zu bezahlen sind.

Doch da die Möglichkeit zur Kontrolle durch die Gastländer beschränkt ist und außerdem oft der politische Wille fehlt, greifen in der Praxis Sozial- und Lohndumping um sich. Frankreichs Präsident François Hollande hat das Problem aufgegriffen und kürzlich bei der Eröffnung einer »Sozialkonferenz« erklärt, er könne »nicht akzeptieren, dass im Namen einer Direktive unlauterer Wettbewerb stattfindet und dadurch Arbeitsplätze in Frankreich vernichtetet werden«. Er prangerte an, dass »die Not in einigen Ländern ausgenutzt wird, um von dort Arbeitskräfte zu holen, die auf einem unvernünftig niedrigen Niveau bezahlt werden«. Hollande versprach, auf einem der nächsten Gipfeltreffen in Brüssel das Pro- blem anzusprechen und Mindestlöhne sowie einheitliche Steuergesetze in Europa zu fordern.

Mängel durch Werkverträge - Kontrollen zeigen Zustände in der Fleischindustrie

Düsseldorf (nd) Mehr Werkverträge in der Fleischindustrie sorgen für erhebliche Mängel beim Arbeitsschutz - das ist die Schlussfolgerung des nordrhein-westfälischen Arbeitsministeriums aus einer Überprüfung von 24 Großbetrieben und 27 Werkvertragsnehmern. Bei zwei Dritteln der Firmen wurden demnach Mängel beim Arbeitsschutz festgestellt, wie Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) am Dienstag erklärte. Zudem gebe es teils Arbeitszeiten von bis zu 13,5 Stunden täglich. Verfahren mit Bußgeldern bis zu 200 000 Euro seien eingeleitet worden. Schneider kündigte gemeinsam mit Niedersachsen und dem Saarland eine Bundesratsinitiative an, »um die Auswüchse von Werkvertragsarbeit insgesamt zu verhindern«. »Die stärkste Waffe gegen den Missbrauch von Werkverträgen bleibt indes ein flächendeckender, allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn«, so Schneider.

 

Der FKP-Abgeordnete Eric Bocquet, der einen Parlamentsbericht zum Problem verfasst hat, räumt ein, dass »die Direktive an sich ein Fortschritt ist, weil vorher das Gesetz des Dschungels herrschte«. Er stellt aber auch fest, dass sie »angesichts der Krise und unter dem Druck, die Kosten um jeden Preis zu drücken, ständig umgangen wird«.

Lokalpolitiker in der Bretagne sind erschrocken, in welchem Maße diese Entwicklung Ressentiments gegen Deutschland geschürt hat. »Es ist nur noch ein Frage der Zeit, bis hier bei Demonstrationen die ersten deutschen Fahnen verbrannt werden«, meint der sozialistische Abgeordnete Gwenegan Bui. Sein Wahlkreis ist besonders betroffen, denn hier drohen noch vor Monatsende die Schließung eines Schlachthofs der Gruppe GAD und die Entlassung der 850 Beschäftigten. Weil Woche für Woche Viehtransporter mit 6000 bis 8000 Schweinen aus der Bretagne zu Schlachthöfen in Deutschland rollen, sind die bretonischen Höfe nur zur Hälfte ausgelastet. 2012 schloss GAD mit 20 Millionen Euro Verlust ab. Frankreich zählt 180 Schlachthöfe, von denen sich nur zehn mit den deutschen Großbetrieben und deren billigen Arbeitskräften messen können.

Doch das Problem beschränkt sich nicht auf die Schweine und auf Deutschland. Dort werden zwar die meisten ausländischen Low-Cost-Arbeitskräfte beschäftigt, aber Frankreich selbst folgt gleich auf dem zweiten Platz mit 300 000 von den europaweit 1,5 Millionen. Allein im Bauwesen sind es 64 000. Die Vorschrift der Bolke- stein-Richtlinie hinsichtlich der Löhne auf dem Gastlandniveau wird auch in Frankreich nur zu oft trickreich umgangen. Mithilfe einer Kaskade von Subunternehmen werden die Spuren verwischt und Kontrollen erschwert. Eric Bocquet erinnert sich, dass er bei den Recherchen für seinen Bericht den Lohnzettel eines rumänischen Arbeiters auf einer Baustelle in Clermont-Ferrand gesehen hat. Der wies als Stundenlohn traurige 2,89 Euro aus.

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