nd-aktuell.de / 29.08.2013 / Kultur / Seite 17

Widerstand

Leseprobe

Ilse Stöbe stirbt in den Abendstunden des 22. Dezember 1942 in der Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee. Sie war 31 Jahre alt. Die Gegnerin des Naziregimes hinterlässt in diesem Buch abgedruckte letzte Briefe. Ihre Mutter wird im Konzentrationslager Ravensbrück und ihr Bruder in der Hinrichtungsstätte Brandenburg ermordet. Die Familie Stöbe ist ausgelöscht. Rudolf Herrnstadt, ihr engster Freund, hat nichts über ihr Doppelleben als Journalistin und als »Kundschafterin« für die Sowjetunion aufgeschrieben. Der herausragende Journalist und Politiker wird 1953 als »Parteifeind« aus dem öffentlichen Leben der DDR ausgeschlossen. Auch der Journalist Carl Helfrich schweigt über seine Braut, mit der er bis zu ihrer Festnahme zusammenlebte.

Jetzt aufgefundene Veröffentlichungen in Schweizer und in deutschen Zeitungen zeigen Ilse Stöbes journalistische Begabung. Sie lernt Grundlegendes bei Theodor Wolff und Rudolf Herrnstadt, setzt sich in Warschau als Auslandskorrespondentin, in einer Männerdomäne, gegen zahlreiche Widerstände durch. Ihren Beruf wird sie in Deutschland aufgeben.

Es ist ihr nicht mehr möglich zu schreiben. In Berlin setzt Ilse Stöbe die von Rudolf Herrnstadt in Warschau begonnene vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Diplomaten Rudolf von Scheliha fort. Von ihm erhält sie streng geheime Berichte zu den Vorbereitungen des Krieges im Osten. Sie leitet die für die Sowjetunion existenziell bedrohlichen Nachrichten an einen Mitarbeiter der sowjetischen Botschaft weiter. Es entsteht eine paradoxe Situation: Sie handelt umsichtig, begibt sich in Gefahr und warnt: »Haltet die Augen offen, macht Euch nichts vor«, aber Stalin und die sowjetische Führung misstrauen ihren Voraussagen.

Aus dem Buch von Hans Coppi und Sabine Kebir »Ilse Stöbe: Wieder im Amt. Eine Widerstandskämpferin in der Wilhelmstraße« (VSA, 215 S., geb., 16,80 €).