Werbung

Die wahre Wildnis

  • Steffen Schmidt
  • Lesedauer: 2 Min.

Mustangs und Indianer gehören zum Mythos des Wilden Westens der USA wie die Tulpen zu Holland. Die Mustangs und die Tulpen haben freilich noch eine zweite Gemeinsamkeit: Sie sind in ihrer heutigen Heimat Einwanderer. Doch während bei einem quasiindustriellen Gartenbauprodukt wie den niederländischen Tulpen kein Mensch auf den Gedanken käme, sie als Wildnis unter Naturschutz zu stellen, sieht das bei den vermeintlichen Wildpferden in den USA ganz anders aus. Dabei sind diese als Reittiere der spanischen Konquistadoren erst im 16. Jahrhundert von Europäern nach Amerika gebracht worden - fast zeitgleich wie die Tulpen nach Holland. Entwichene Pferde fanden in den weiten Prärien ideale Bedingungen vor und vermehrten sich prächtig. Rund 33 000 sind es heute, wie Robert A. Garrott von der Montana State University und Madan K. Oli von der University of Florida (beide USA) kürzlich im Fachjournal »Science« berichteten. Und verblüffenderweise stehen diese verwilderten Haustiere heute nach allgemeinem Konsens in den USA unter Schutz. In einem Land, wo über Jahrhunderte die Ureinwohner ermordet und die tatsächlich heimischen Bisons zu Tausenden zum bloßen Vergnügen abgeschossen worden waren.

Nun wäre das alles kaum mehr als eine Skurrilität, wenn die Kosten des Schutzprogramms für die Pferde nicht aus dem Ruder liefen und ihre Zahl nicht schon heute fast um ein Drittel höher wäre, als die Präriebiotope vertragen. Eine Expertengruppe des Nationalen Forschungsrates der USA geht davon aus, dass sich die Zahl der Tiere innerhalb von sechs bis acht Jahren verdreifacht, wenn das Schutzprogramm nicht verändert wird.

Nebenbei allerdings zeigt dieser Fall, dass die Vorstellung unberührter Wildnis in den meisten Fällen ein gedankliches Konstrukt von uns Menschen ist. Das zeigen auch immer wieder die Auseinandersetzungen um die Totalreservate innerhalb von Nationalparks hierzulande. Vielen Menschen fällt es sehr schwer hinzunehmen, dass sich die Natur, wenn man sie einfach lässt, oft in eine ganz andere Richtung verändert, als man es sich zuvor vorgestellt hat.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal