Kriegsrat im Esszimmer

Neuer Gedenkort für Völkerschlacht im sächsischen Rötha

  • Hendrik Lasch, Rötha
  • Lesedauer: 3 Min.
Rund um Leipzig wird vielfältig des 200. Jahrestages der Völkerschlacht gedacht. In Rötha entsteht der fast vergessene Raum neu, in dem der Kriegsrat der Alliierten tagte.

Geschnitzte Blumengirlanden an den Anrichten, Spiegeltische in edlem Cremeweiß - der Speisesaal des Schlosses Rötha bot ein stilvolles Interieur. In dieser anmutigen Umgebung fassten der russische Zar Alexander I., der österreichische Kaiser Franz I. und Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. am 17. Oktober 1813 eine folgenreiche Entscheidung: Ein Angebot von Napoleon für einen Waffenstillstand wurde abgelehnt. Die Alliierten suchten auf den Feldern rund um Leipzig die militärische Auseinandersetzung. Die später so genannte Völkerschlacht begann.

Auf vielfältige Weise wird in diesen Tagen in Leipzig und umliegenden Orten an die Schlacht vor 200 Jahren erinnert, bei der 90 000 Soldaten getötet oder verletzt wurden und die an Grausamkeit alles bis dahin Dagewesene übertraf. Ein zuletzt weitgehend in Vergessenheit geratener Aspekt wird dem großen historischen Panorama in Rötha, 15 Kilometer südlich von Leipzig, hinzugefügt. Dort ist ab Samstag der Speisesaal wieder zu besichtigen, in dem die drei Feldherren ihren Kriegsrat abhielten - zumindest in Teilen. In einer Kirche des Ortes werden Möbel, Porzellanvasen und andere Einrichtungsgegenstände ausgestellt.

Ursprünglich schmückten diese einen Saal im ersten Stock des frühbarocken Schlosses, das die Familie von Friesen in dem Dorf inmitten der Elsterauen errichtet hatte. Im Oktober 1813 lag das Schloss »günstig am Rand des vorhersehbaren Schlachtfeldes«, sagt Walter Christian Steinbach, Vorsitzender des Fördervereins Rötha. Deshalb quartierten sich Alexander und Franz in dem imposanten Gebäude ein; Friedrich Wilhelm wurde zu den Gesprächen gebeten. »Alle Türen waren mit Schildwachen besetzt«, heißt es in einem historischen Bericht über den Sonntag, an dem die Entscheidung zur Schlacht fiel.

Der Rolle Röthas als militärisches Hauptquartier wurde noch lange gedacht. Zum 100-jährigen Jubiläum wurde das Zimmer renoviert. Auch nach der Enteignung der Familie von Friesen im Jahr 1946 blieb es zugänglich: Während das Schloss zu Wohnungen umgebaut wurde, nutzte man das Esszimmer als Heimatmuseum. Im Jahr 1969 aber wurde das damals 300 Jahre alte, baufällige, aber nicht ruinöse Schloss gesprengt - nur ein Jahr nach der Universitätskirche in Leipzig. Die Einrichtung war zwar zuvor ausgebaut und in Archive gebracht worden; Teile wurden auf Burg Gnandstein ausgestellt. Die Erinnerung an die historische Rolle Röthas aber »versank in der Erinnerung«, sagt Steinbach.

Das soll sich jetzt ändern - zunächst dank des teilweisen Nachbaus des Raums, dessen Möbel der Förderverein von den Nachfahren der Familie von Friesen geliehen bekommen hat. Diese wiederum erhielt die Gegenstände 2008 vom Freistaat Sachsen zurückerstattet. Die Schau in der früheren Familienloge in der Marienkirche soll aber nur ein Anfang sein, hofft Steinbach. Am Ort des früheren Schlosses könnte ein Pavillon entstehen, in dem das Zimmer komplett nachgebaut werden könnte. Dazu müssten freilich Flächen erworben und der Verein in eine Stiftung umgewandelt werden. Frühestens 2017 könnte es soweit sein. Vorher wird schon an der Wiederherstellung des Schlossparks gearbeitet. Die Familie von Friesen war schließlich vorrangig nicht als Quartiergeber für Feldherren bekannt, sondern als Förderer von Garten- und vor allem Obstbau. Ein reich illustriertes Fachbuch des einstigen Schlossherren ist im nachgebauten Esszimmer ebenfalls zu besichtigen - vielleicht als Inspiration für all jene, die mit der militärischen Geschichte weniger anfangen können.

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