nd-aktuell.de / 07.09.2013 / Kultur / Seite 14

Macht alle mitt!

Kanzlerkandidat Oliver Maria Schmitt macht heute Station in Berlin

Thomas Blum

Seine politische Karriere begann früh. Als unabhängiger Kandidat trat Oliver Schmitt bereits 1988 als 22-Jähriger bei den Wahlen zum baden-württembergischen Landtag an. Gewählt wurde er nicht, obwohl er einen modernen Slogan kreiert hatte, der auch nicht armseliger daherkam als die Frohe-Zukunft-Propaganda der CDU, sondern von geradezu erfrischender Schlichtheit war und gewissermaßen schon Jahre vorher den nichtssagenden, von jeglichen Inhalten befreiten SPD-Claim der Gegenwart (»Das Wir entscheidet«) vorwegnahm: »Macht alle mitt/Wählt Oliver Schmitt.«

Drei Jahre später trat er in seiner tristen Geburtsstadt Heilbronn für das Amt des Oberbürgermeisters an. Damals stand er, der sich schon durch seine Kleidung (kariertes Sakko, breite Kunstfaserkrawatte) als personifizierte Persiflage auf den Berufspolitiker markiert hatte, tapfer hinter einem Tapeziertisch in der Heilbronner Fußgängerzone, auf dem er fein säuberlich Wahlkampfprospekte sämtlicher Parteien drapiert hatte und sie den Vorbeiflanierenden in die Hand drückte. Eigene Wahlprospekte drucken zu lassen, war schließlich teuer. Und es steht ja sowieso immer in allen dasselbe drin. Damals erhielt der aufstrebende Jungpolitiker respektable 0,2 Prozent der Stimmen.

Seine wegweisenden politischen Visionen, wie etwa die Forderung nach Freibier, das aus sämtlichen Heilbronner Brunnen sprudeln sollte, wurden seinerzeit noch nicht von allen verstanden, was ihn jedoch nicht entmutigte, seinen Weg zur Macht zielstrebig fortzusetzen.

1995 wurde der einstige Student der Rhetorik und Kunstgeschichte, der mittlerweile Oliver Maria Schmitt hieß, Chefredakteur des »Nachrichtenmagazins« (O.M. Schmitt) »Titanic« und prangerte bis zum Jahr 2000 vom Chefsessel aus das schmutzige und grundkorrupte Treiben der Politik an. Es folgte eine rege Tätigkeit als freischaffender Publizist und Schriftsteller: Eine Gruppenbiografie über die komischen Dichter und Cartoonisten der sogenannten Neuen Frankfurter Schule (»Die schärfsten Kritiker der Elche«), die heute als Standardwerk gilt, sowie diverse Romane (»Der beste Roman aller Zeiten«) entstanden.

2012 bewarb sich Schmitt, Ehrenvorsitzender der Partei DIE PARTEI, um das Amt des Oberbürgermeisters von Frankfurt am Main. »Der Fall Christian Wulff hat mir wirklich Mut gemacht«, bekennt Schmitt. »Denn er hat mir gezeigt, dass es auch ein Totalversager, eine absolute Null bis ganz nach oben schaffen kann, wenn man zur richtigen Zeit im Weg herumsteht und die Hand aufhält.« Am Ende erhielt er 1,8 Prozent der Stimmen.

Nun kandidiert der Mann, der in einem schmierig glänzenden roten Anzug steckt, fürs Bundeskanzleramt und ist zuversichtlich. »Auf dem Weg an die Macht kann uns nichts aufhalten, das hat man in Frankfurt ja schon gesehen«, sagte er dem Satiremagazin »Focus«. »Da kam ich aus dem Stand von 0,2 auf 1,8 Prozent - eine Steigerung um 800 Prozent. Nach meiner Berechnung brauche ich da nur noch maximal 1,5 Wahlen, um Bundeskanzler zu werden.«

Derzeit tingelt er mit seinem neuen Buch »Mein Wahlkampf« und einer politischen Brandrede durch die Säle der Republik. »Ich koaliere mit jedem, der die Klappe hält und Dienst nach Vorschrift macht. Da hat sich die FDP absolut bewährt«, teilte er dem »Focus« mit. Dem Deutschlandfunk gegenüber gestand er: »Meine Mutter reagiert immer noch ein bisschen verstört darauf, dass ich bald in Deutschland die Macht übernehmen werde, aber nachdem ich ihr in Aussicht gestellt habe, dass für sie auch ein lukrativer Kabinettsposten dabei herumkommt, ist sie jetzt doch auch dafür.«

Auf Facebook firmiert er mittlerweile selbstbewusst als »Bundeskanzler Oliver Maria Schmitt«, wo er das halbalphabetisierte Volk in der Sprache anspricht, die es gerade noch so versteht: »Hier finden Sie krasse News & geile Facts, präsentiert vom Kanzlerteam der Partei DIE PARTEI.«

Heute wird er im Trend- und Armutsbezirk Neukölln unter anderem erklären, »wie man die richtige Partei findet und sie für die eigenen Zwecke missbraucht, wie grenzenlose Heuchelei und faule Kompromisse das tägliche Handeln bestimmen, wie man zur Phrasendreschmaschine mutiert« und »wie man dabei seine wahren Freunde verliert und stattdessen mit Industriemagnaten und Speichelleckern zu tun hat«. Alles also, was man über die Politik und die ihr innewohnenden weltverändernden Kräfte wissen muss.

20 Uhr, Heimathafen Neukölln, Karl-Marx-Straße 141. Das Buch: Mein Wahlkampf. Rowohlt, 9,99 €.