Superschwere Physik
Wissenschaftler bestätigen die Existenz des Elements 115
Bei der Suche nach neuen superschweren Elementen liefern sich deutsche, russische und US-Forscher seit Jahren ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Da solche Elemente nur in speziellen Beschleunigern erzeugt werden können und überdies sehr schnell wieder zerfallen, gilt ihr Nachweis als extrem schwierig. Und so hat sich manch großspurig angekündigte Entdeckung eines neuen superschweren Elements im Nachhinein als Flop erwiesen.
Das schwerste Element, das bisher die Anerkennung einer gemeinsamen internationalen Kommission aus Chemikern und Physikern gefunden hat, trägt die Ordnungszahl 116 und den Namen Livermorium (Lv). Erstmals erzeugt wurde es im Jahr 2000 am Vereinigten Institut für Kernforschung in Dubna (Russland) von Wissenschaftlern dieses Instituts sowie des Lawrence Livermore National Laboratory in den USA. Auch das Element 114, das im gleichen Jahr in russisch-amerikanischer Kooperation in Dubna hergestellt wurde, hat bereits einen »richtigen« Namen: Flerovium (Fl). Damit ehrten die Entdecker den sowjetischen Physiker Georgi Flerov, der einst als Leiter des Dubnaer Instituts an der Synthese mehrerer superschwerer Elemente beteiligt gewesen war.
2004 gaben Physiker aus Russland und den USA bekannt, dass sie überdies vier (!) Atome des Elements 115 erzeugt hätten. Zwei Jahre darauf konnte ein Team des Schweizer Paul-Scherrer-Instituts die Ausbeute auf 15 Atome steigern. Doch erst jetzt ist es einer internationalen Forschergruppe um Dirk Rudolph von der Universität Lund (Schweden) gelungen, den Nachweis des Elements 115 am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt mit einer neuen Methode zu bestätigen. Um das Element 115 herzustellen, beschossen Rudolph und seine Kollegen in einem 120 Meter langen Linearbeschleuniger das Element Americium (Ordnungszahl 95) mit Kalzium-Ionen. Dabei kam es, wenn auch nur höchst selten, zu einer Verschmelzung beider Kerne und so zur Synthese von Atomen des Elements 115, die mit einer Halbwertszeit von 160 Millisekunden in leichtere Elemente zerfielen. Beim Zerfall entstanden Alphateilchen und Photonen, deren Energie die Forscher mit einem speziellen Detektorsystem erstmals gemessen haben. Die Werte stimmten großenteils mit jenen überein, die man zuvor für die aus der Elektronenhülle stammende Röntgenstrahlung von Zerfallsprodukten des Elements 115 berechnet hatte. Diese Energien bilden gleichsam den Fingerabdruck des neuen Elements.
»Dass ein solcher Fingerabdruck auch bei den allerschwersten Elementen genommen werden kann, ist eine der wichtigsten Entdeckungen auf dem Forschungsfeld der superschweren Elemente«, meint Christoph Düllmann, der als leitender Wissenschaftler bei der GSI tätig ist. Damit könne die Methode der Röntgenstrahlungsmessung künftig auch bei anderen neuen Elementen zur Anwendung kommen. Über den jüngsten Nachweis des Elements 115 berichten die Forscher demnächst im Fachblatt »Physical Review Letters«.
Derzeit trägt das Element 115 noch den vorläufigen Namen Ununpentium (Uup, von lat./ griech.: eins-eins-fünf). Mit ähnlichen Kürzeln wurden auch die Elemente 113 (Uut), 117 (Uus) und 118 (Uuo) bedacht, für deren Existenz es ebenfalls deutliche experimentelle Hinweise gibt. Doch von der Entdeckung bis zur Anerkennung und Bezeichnung eines neuen superschweren Elements ist es oft ein langer Weg. Beim Livermorium etwa dauerte es zwölf Jahre, bis das Element seinen gesicherten Platz im Periodensystem fand.
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