Pau wieder auf Erfolgskurs?

Unterwegs mit der Direktkandidatin Petra Pau der LINKEN in Marzahn-Hellersdorf

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.
Fans tragen das Petra-Pau-Konterfei sogar auf T-Shirts.
Fans tragen das Petra-Pau-Konterfei sogar auf T-Shirts.

»Ich kenne Sie, Sie haben uns im Integrationsbeirat besucht«, sagt die Frau mit starkem russischen Akzent. Sie lächelt freundlich. Die Direktkandidatin der LINKEN in Marzahn-Hellersdorf, Petra Pau, drückt als Antwort die Hand der Migrantin und überreicht ihren Bürgerbrief – der von ihrem Team extra ins Russische übersetzt wurde. Für Pau sind die rund 30 000 »Russlanddeutschen«, die seit Anfang der Neunziger Jahre in Marzahn-Hellersdorf leben, eine wichtige Wählergruppe. Viele von ihnen kaufen im »Mix-Markt« ein, eine urige Markthalle mitten zwischen den Marzahner Hochhäusern. Am Montagmorgen bei Nieselregen ist hier zwar nicht viel los, doch die wenigen Passanten, die unterwegs sind, nehmen das Material immerhin gerne und nicken Pau zumeist wohlwollend zu.

Keine Frage, die Bundestagsvizepräsidentin Pau, die ihre politische Karriere 1990 einst in den Marzahner-Hellersdorfer Niederungen der Kommunalpolitik begann, ist im Bezirk bekannt wie kaum eine andere Politikerin oder Politiker. »Wir hatten im Wahlkampf die Situation, dass Bürger extra an unseren Stand kamen, um Petra Pau nachträglich zum Geburtstag zu gratulieren«, erzählt Sebastian Kahl, einer der jungen Wahlhelfer von Pau. »Wo gibt es das schon, dass die Bürger das Geburtsdatum ihrer Kandidatin kennen?«

Wenn am kommenden Sonntag die Erststimmen im Wahlkreis 085 ausgezählt werden, gilt es als sicher, dass Petra Pau zum vierten Mal infolge das Direktmandat für die Sozialisten gewinnen wird. 2009 stimmten fast 60 000 Wähler für Pau, so viele, wie in einer mittleren Stadt wie Dormagen oder Landshut leben. Ob es wieder mit 48 Prozent das bundesweit beste Erststimmenergebnis für die LINKE sein wird, bleibt angesichts der sich ändernden Bevölkerungsstruktur des Bezirks jedoch abzuwarten.

Auf Ochsentour

Das Erfolgsrezept, das Petra Pau verfolgt, gilt indes bei vielen modernen Wahlkämpfern als antiquiert: Es heißt Ochsentour. Pau ist ständig unterwegs, sucht den Kontakt. An einem Tag eröffnet sie die Interkulturellen Tage im Bezirk, stellt sich danach der Kritik und den Sorgen der Bürger auf dem Erntefest in Alt-Marzahn und macht dann noch klassischen Straßenwahlkampf. Am Abend zuvor war sie bei der U-18-Wahl im Rathaus, um bei den Jugendlichen Flagge zu zeigen.

Doch nicht nur in der heißen Wahlkampfphase hält Pau den Draht zu den Bürgern in ihrem Wohnbezirk aufrecht, sondern über die gesamte Legislatur: ob Freiwillige Feuerwehr, Kleingartenverband oder Kleintierzüchter. Pau ist dabei. Auch wenn ihr, wie sie betont, in letzter Zeit wegen der Arbeit im Untersuchungsausschuss zu den Morden des »Nationalsozialistischen Untergrundes« dafür weniger Zeit blieb. Wahlkampf via sozialer Medien im Internet hält Pau, die selber viel twittert, dagegen für überbewertet. Auch auf Großveranstaltungen hat sie bis auf eine Ausnahme mit Gregor Gysi auf dem Helene-Weigel-Platz in Hellersdorf weitgehend verzichtet.

Ernsthafteste Konkurrentin für Pau im Wahlkreis dürfte wie 2009 erneut Monika Grütters von der CDU werden, die auch als Berliner Spitzenkandidatin der Union zur Bundestagswahl antritt. Grütters, die sich bundesweit einen Namen als Kulturpolitikerin gemacht hat, ist in den teils dörflich geprägten Teilen Marzahn-Hellersdorfs ebenfalls gut vernetzt. Zwischen den Kontrahentinnen geht es dennoch ausgesprochen »kulturvoll« zu, wie Petra Pau betont: »Wir pflegen, da wo es angebracht ist, ein kollegiales Verhältnis.«

Ausgrenzung im Bundestag

Man kennt sich gut aus dem Bundestag. Dort teilen viele Berliner Bundestagsabgeordnete ein ähnliches Schicksal: Denn Politiker aus anderen Bundesländern werfen den Berlinern häufig vor, durch den Hauptstadtstatus für Opern, Tierparks und Sicherheitsaufgaben Gelder zu verprassen. Immer gleiche populistische Vorwürfe, die die Bundestagsabgeordneten von der Spree interfraktionell zusammenschweißen.
Als im Juli die Proteste von Anwohnern und Rechtsextremen gegen die Notunterkunft für Flüchtlinge in Hellersdorf losgingen, war es Monika Grütters, die abends bei Pau anrief, um eine gemeinsame Erklärung der Direktkandidatinnen des Wahlkreises gegen Rassismus zu initiieren.

Petra Pau, die über die Jahre einiges an Ausgrenzung im Bundestag erlebt hat, insbesondere in der Phase zwischen 2002 und 2005, als sie mit Gesine Lötzsch alleine die PDS vertrat, hält ein solches parteiübergreifendes Handeln für »ausgesprochen wichtig«. Gerade jetzt, wo es in Hellersdorf eines langen Atems gegen Rassismus bedarf.

Bei allen Gemeinsamkeiten gibt es zwischen den Parteien im Bezirk natürlich auch viel Rivalität. Zu gern würde die SPD wie bei der Abgeordnetenhauswahl 2011 die Dominanz der LINKEN beenden. Doch da bekommt Pau unerwartete Schützenhilfe: Als beste Wahlkämpferin, sagt sie, erweise sich zurzeit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Mit ihrem gebrochenen Versprechen zur Angleichung der Ostrenten verleihe die Kanzlerin dem Wahlkampf der Sozialisten Flügel. »Das empört die Leute«, sagt Pau. Sie muss es wissen, schließlich hat sie mit vielen direkt gesprochen.

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