Volles Geld auch bei Verhinderungspflege?

Fragen & Antworten rund um die Pflege

  • Lesedauer: 5 Min.

Die meisten Pflegebedürftigen werden ausschließlich von Angehörigen betreut. Dafür zahlt die Pflegekasse je nach Pflegestufe 235 bis 700 Euro monatlich als Pflegegeld. Wie ist das aber geregelt, wenn der Angehörige - aus welchen Gründen auch immer - zeitweilig verhindert ist? Ich habe in diesem Zusammenhang davon gehört, dass in solchen Fällen die sogenannte Verhinderungspflege genutzt werden kann.
Annegret M., Berlin

In einem Verhinderungsfall, wie Sie ihn anführen, übernimmt in der Regel ein anderer Angehöriger, ein Nachbar oder ein ambulanter Dienst die Unterstützung des Betroffenen. Dafür stehen jährlich bis zu 1550 Euro für maximal 28 Tage zur Verfügung. Je nachdem, wie man diese Verhinderungspflege gestaltet, wird das Pflegegeld in dieser Zeit vollständig oder zur Hälfte weitergezahlt.

Pflegebett als Leihgabe

Braucht ein Patient für zu Hause ein Pflegebett, muss dies der behandelnde Arzt verordnen. Die Krankenkasse muss es aber genehmigen und beauftragt einen Fachhändler mit der Lieferung. Das Pflegebett ist dann eine Leihgabe der Kasse, die wieder abgeholt wird, wenn das Bett nicht mehr benötigt wird. Darüber informierte das Apothekermagazin »Senioren Ratgeber«.

Je nach Gesundheitszustand des Bettlägerigen übernimmt manchmal auch die Pflegekasse die Kosten. Wer von seiner Kasse bereits als hilfebedürftig eingestuft wurde, kann sich auch direkt an seinen ambulanten Dienst wenden, dessen Mitarbeiter dann alles Weitere regeln.

Entscheidend ist dabei ein Zeitfaktor: Ist die Pflegeperson weniger als acht Stunden pro Tag verhindert, erhält der Pflegebedürftige das volle Pflegegeld weiter - auch wenn in dieser Zeit ein ambulanter Dienst einspringt. Auf diese Weise kann der pflegende Angehörige über das Jahr verteilt private oder berufliche Termine wahrnehmen, ohne dass dem Pflegebedürftigen Nachteile entstehen.

Ist der Angehörige hingegen mehr als acht Stunden am Tag - zum Beispiel durch Urlaub - verhindert, wird seit der aktuellen Pflegereform wenigstens das halbe Pflegegeld überwiesen. Bis 2012 gab es in solchen Fällen nichts. Maßgeblich bei den beiden Varianten ist der tatsächliche Verhinderungszeitraum der Pflegeperson und nicht die Dauer der Ersatzpflege. Das geht aus einem Rundschreiben des Spitzenverbandes der gesetzlichen Kassen hervor. Nachlesen kann man das Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes vom 17. April 2013 im Internet unter www.gkv-spitzenverband.de.

Weil die Regelungen im Detail kompliziert sind und auch der Verwandtschaftsgrad der Ersatzpflegeperson bei der Kostenerstattung eine Rolle spielt, empfiehlt der Spitzenverband den Betroffenen unbedingt eine Pflegeberatung. Diese erhalten gesetzlich Versicherte von ihrer Pflegekasse oder einem Pflegestützpunkt, privat Versicherte von der bundesweiten Compass-Pflegeberatung. Telefonische Auskünfte können unter deren kostenfreien Rufnummer (0800) 101 88 00 auch gesetzlich Versicherte erhalten.

Kann die Pflege-Pflichtversicherung durch freiwillige Zahlungen erhöht werden?
Werner K., Magdeburg

Nein, die Pflege-Pflichtversicherung kann nicht durch freiwillige Zahlungen aufgestockt werden. Wenn das Geld für die Pflege nicht reicht, bleibt also nur der Weg über die Privatvorsorge. Das gilt für gesetzlich wie privat Versicherte gleichermaßen.

Zur Auswahl stehen dabei vier Varianten: Die erste ist ein eigenes gut gefülltes Bankkonto, die zweite eine geförderte, die dritte eine ungeförderte Pflege-Tagegeldversicherung. Als vierte Möglichkeit steht die Pflege-Kostenversicherung zur Verfügung.

Unkompliziert ist die neue geförderte Pflege-Zusatzversicherung, der sogenannte Pflege-Bahr. Jeder erwachsene Antragsteller, der noch keine Pflegestufe hat, bekommt einen Vertrag. Gesundheitsfragen sind nicht zu beantworten, so dass auch Vorerkrankungen keine Rolle spielen. Zu zahlen ist ein Mindestbeitrag von zehn Euro im Monat, der staatliche Zuschuss beträgt weitere fünf Euro. Vor allem Personen unter 40 können für diese insgesamt 15 Euro oft mehr als die vom Gesetzgeber verlangte Mindestversicherungssumme von 600 Euro monatlich in Pflegestufe III bekommen. Zu beachten ist allerdings eine beitragspflichtige Wartezeit bis zu fünf Jahre, die aber in der Regel bei unfallbedingter Pflegebedürftigkeit entfällt.

Höhere Versicherungssummen als beim Pflege-Bahr können oft mit einer klassischen Pflege-Tagegeldversicherung vereinbart werden. Allerdings sind bei der Antragstellung Gesundheitsfragen zu beantworten. Vorerkrankungen können im Gegensatz zum Pflege-Bahr zur Ablehnung oder zu Risikozuschlägen führen. Das gilt auch für die dritte Variante der privaten Pflegevorsorge, die Pflege-Kostenversicherung. Während letztere die vereinbarte Summe für nachgewiesene Pflegeleistungen zahlt, kann über das Geld sowohl der geförderten wie der ungeförderten Tagegeldpolicen frei verfügt werden.


Im Zusammenhang mit der Pflegeversicherung ist immer wieder von Geld- und Sachleistungen die Rede. Wer bekommt das Geld der Pflegeversicherung?
Hans E., Leipzig

In der Pflegeversicherung wird - wie Sie richtig schreiben - zwar zwischen Geld- und sogenannten Sachleistungen unterschieden, doch in der Praxis handelt es sich immer um Geld - nur der Empfänger ist jeweils ein anderer. Pflegebedürftige können unter verschiedenen Leistungen wählen.

Das Pflegegeld bekommt der Betroffene auf sein Konto überwiesen und kann darüber frei verfügen. Anspruchsberechtigt sind jene, die beispielsweise durch Angehörige oder Nachbarn betreut werden. Gezahlt werden 235 Euro monatlich bei Stufe I, 440 Euro bei Stufe II oder 700 Euro bei Pflegestufe III. Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz ohne Pflegestufe erhalten seit diesem Jahr 120 Euro Pflegegeld im Monat. Darüber kann ohne Nachweise frei verfügt werden.

Engagiert ein gesetzlich versicherter Pflegebedürftiger einen ambulanten Dienst, erhält er von diesem die sogenannten Sachleistungen. In diesem Fall rechnet die Pflegekasse direkt mit dem ambulanten Dienst ab. In Pflegestufe I übernimmt sie 450 Euro der Monatsrechnung, 1100 Euro in Stufe II oder 1550 Euro in Stufe III. Darüber hinausgehende Kosten muss der Pflegebedürftige selbst zahlen.

Wer allerdings nur wenig Hilfe eines ambulanten Dienstes braucht, so dass die dafür vorgesehene Maximalsumme der Pflegekasse nicht ausgeschöpft wird, hat Anspruch auf anteiliges Pflegegeld.

Wer dauerhaft in einer stationären Pflegeeinrichtung lebt, bekommt in der Regel kein Geld von der Pflegepflichtversicherung ausgezahlt. Denn die realen Kosten übersteigen die gesetzlich festgelegten Zuschüsse der Pflegekasse so deutlich, dass kein Spielraum für anteiliges Pflegegeld bleibt.

Die Leistungen der privaten Pflege-Zusatzversicherungen gibt es immer zusätzlich. Sie werden nicht mit den Zahlungen der Pflege-Pflichtversicherung verrechnet. Drei Varianten stehen zur Auswahl: Klassische Pflege-Tagegeldversicherungen, geförderte Pflege-Police und Pflege-Kostenversicherungen. Letztere begleichen im vereinbarten Umfang Rechnungen für nachgewiesene Pflegeleistungen, welche die Pflichtversicherung nicht übernimmt. Die ersten beiden Varianten hingegen sehen Barzahlungen an den Pflegebedürftigen vor. Das Geld ist frei verwendbar.

Die Unterschiede liegen in den Zugangsbedingungen und im Leistungsumfang. Die geförderte Police, der sogenannte Pflege-Bahr, wird mit monatlich fünf Euro bezuschusst, wenn der Versicherte mindestens zehn Euro selbst bezahlt. Eine Gesundheitsprüfung findet nicht statt, jeder Erwachsene ohne Pflegestufe bekommt einen Vertrag. Die Versicherungssumme muss in Pflegestufe III mindestens 600 Euro betragen und darf nicht über 1200 Euro monatlich hinausgehen. Bei klassischen Pflege-Tagegeldversicherungen ist eine Gesundheitsprüfung obligatorisch, eine Förderung gibt es nicht. Allerdings können hier höhere Leistungen vereinbart werden.

Uwe Strachovsky

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