nd-aktuell.de / 01.10.2013 / Politik / Seite 14

Wider die Gleichgültigkeit

Ein Ausstellungsprojekt im thüringischen Jena will dem Rechtsextremismus den Boden entziehen

Doris Weilandt, Jena
Rechte Einstellungen sind in der Mitte der Bevölkerung weit verbreitet. Mit Fotografien, einer Bild-Klang-Installation und anderen Kunstprojekten will eine Ausstellung im thüringischen Jena die Betrachter aufrütteln.

»Kunst soll einen Beitrag leisten, dem Rechtsextremismus den Boden zu entziehen« - dieses sehr politische Motiv führt Verena Krieger für die Kunstausstellung »Brandschutz - Mentalitäten der Intoleranz« an. Die Inhaberin des Lehrstuhls für Kunstgeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena (Thüringen) will erreichen, dass sich die Mitte der Gesellschaft mit der eigenen (In-)Toleranz auseinandersetzt, mit ihrem Verhalten zu Ausländern, zur sexuellen Orientierung, zu Obdachlosen und Randgruppen. Dazu wurden Arbeiten von über 20 Künstlerinnen und Künstlern in die Universitätsstadt geholt, die an verschiedensten Orten zu sehen sind.

Das Elend der Flüchtlinge

In den Himmel der Stadtkirche St. Michael hat Markus Döhne seine Arbeit »Green Screens, Refugee Series« gehängt, eine Reihe von gerasterten Bildern, die erst auf den zweiten Blick ihren Inhalt preisgeben. Es sind fotografische Aufnahmen von Menschen, die von Wärmebildkameras entdeckt worden sind: Marokkaner auf hohen Zäunen an der Grenze zu Spanien, Tschechen zu Fuß im Böhmerwald an der bundesdeutschen Grenze, Guatemalteken kauernd an der Grenze zu Mexiko und verfremdete Fotos von Flüchtlingen in den Pyrenäen 1939. Ihre Identität ist aufgehoben, sie sind ein Phänomen, das aus sicherer Distanz wahrgenommen werden kann. In der Stadtkirche erfährt diese Installation eine besondere Brisanz. 1994 stand auf dem Prüfstand, ob der Kirchenraum als unantastbare Fluchtstätte für Verfolgte existent ist. Armenische Familien fanden hier Asyl. Um Empathie wirbt der britische Künstler Graeme Miller, der mit der Bild-Klang-Installation »Beheld« (Erblickt) den Fokus auf Flüchtlinge richtet, die buchstäblich aus dem Himmel fallen. Als blinde Passagiere kriechen sie heimlich in die Radkästen von Flugzeugen und erfrieren dann in großer Höhe. Der letzte Blick, den Miller an verschiedensten Absturzorten der westlichen Welt aufgenommen hat, ist ein Erlösungsmotiv.

Emotional berührt auch die Videoarbeit »Gastspiel« von Martina Geiger-Gerlach. In einer Kabine sitzt der Betrachter acht obdachlosen Frauen gegenüber, die mit Chips und Getränken in Zuschauerreihen Platz genommen haben und ihr Gegenüber fixieren. Einer Auseinandersetzung mit ihrem Schicksal lässt sich nicht mehr ausweichen. Auf die Erwiderung des Blickes setzt auch Danica Dakić mit »Le Grande Galerie 1-3«. Eine Bearbeitung des Bildes der großen Galerie des Louvre von Hubert Robert aus dem Jahr 1796 bildet das Zentrum der fotografischen Inszenierung inmitten einer geografisch nicht zu verortenden Landschaft. Vor dem Gebäude hat eine Gruppe Roma Aufstellung genommen, die sich selbstbewusst vor den Ruinen der europäischen Hochkultur positioniert. Der Schatten der Vergangenheit spukt noch in den Mauern, doch außerhalb hat sich der Himmel bereits Azurblau eingefärbt.

Fragen zur Verantwortung

Im Rathaus der Stadt ist das Gemälde »Das jüngste Gericht« von Christoph Wetzel von 1987 aufgehängt, das im letzten Jahr in der Ausstellung »Tischgespräch bei Luther« in Erfurt zu sehen war. Kinder aus den von Kriegen und Hunger gezeichneten Ländern wie Vietnam, Kongo, Libanon und Äthiopien befragen ihre Betrachter nach der persönlichen Verantwortung für ihr Leid.

Im Vorfeld des Ausstellungsprojektes wurde ein zweistufiger Wettbewerb für eine Arbeit am Stadtspeicher ausgeschrieben. Die Gewinnerinnen Andrea Knobloch und Ute Vorkoeper von der »Akademie einer anderen Stadt« rufen die Bürger auf, Sätze zur eigenen Toleranz zu formulieren, die an der Glasfassade des Gebäudes zur Diskussion gestellt werden. Dieser »Raum für grenzwertige Mitteilungen« soll ein Forum sein, ohne endgültige Aussagen zu formulieren.

Interessierte können sich melden unter jena@mitwisser.net[1]. Die Ausstellung» ist noch bis zum 17. November zu sehen. Orte, Termine und Öffnungszeiten unter: www.brandschutz.uni-jena.de.[2]

Links:

  1. jena@mitwisser.net
  2. http://www.brandschutz.uni-jena.de.