Grüne: Linker Flügel grenzt sich von Union ab

Trittin: Wir sind nicht die Reserve der CDU / Peter: Rot-Rot-Grün wäre ernsthafte Alternative / Realos halten Hintertür zu Schwarz-Grün offen

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Berlin. Nach dem Scheitern der Gespräche mit der Union ist bei den Grünen eine Debatte über das weitere Vorgehen entbrannt. Der frühere Fraktionschef Jürgen Trittin lehnt es ab, dass seine Partei im Notfall für neue Sondierungen mit der Union zur Verfügung steht. »Die Grünen sind eigenständig - und sie stehen nicht einfach als Reserve parat, wenn CDU/CSU und SPD sich nicht einigen«, sagte er der »Neuen Osnabrücker Zeitung«.

Trittin war Unterhändler in den Sondierungen mit der Union und betonte, es gebe keine Grundlage für eine tragfähige Koalition. »Zurzeit gibt es keine Anzeichen dafür, dass diese Sachlage sich verändert«. Der Politiker sprach von »sachlichen und konstruktiven Gesprächen« mit dem Ergebnis, dass die meisten der von den Grünen geforderten neun Projekte - von Energiewende bis zu Bürgerversicherung sowie mehr Geld für Bildung - »mit dieser Union« nicht zu realisieren seien. »Wir stimmen jetzt klarer darüber überein, wo wir nicht übereinstimmen.«

Ähnlich äußerte sich die designierte Vorsitzende Simone Peter, die wie Trittin zum linken Parteiflügel zählt. Sie betonte, die Sondierungen mit der Union hätten keine gemeinsame Grundlage für Verhandlungen ergeben. »Da halte ich es für schwierig, sich dann gleich wieder zu Sondierungen zu treffen«, sagte die ehemalige saarländische Umweltministerin der »Stuttgarter Zeitung«. Falls die Gespräche der SPD mit der Union scheitern sollten, müssten die Sozialdemokraten entscheiden, ob sie nicht doch mit Linkspartei und Grünen sondieren wollte. »Das wäre eine ernsthafte Alternative.«

Parteichef Cem Özdemir hatte neue Gespräche mit der Union dagegen nicht ausgeschlossen, falls eine große Koalition nicht zustande kommt. Auch die neue Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt und der baden-wüttembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die wie Özdemir zum Realo-Flügel gehören, plädieren dafür, eine Tür für die Union offenzuhalten.

Beide Seiten seien in den Sondierungen aufeinander zugegangen, betonte Göring-Eckardt der »Passauer Neuen Presse«. Das sei beachtlich. Beim Klimaschutz und in der Energiepolitik habe es aber zu wenig Bewegung bei der Union gegeben. »Das ist einer der Gründe dafür, dass wir die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen nicht empfehlen können. Das heißt aber natürlich nicht, dass in Zukunft gemeinsame Gespräche zwecklos sind.«

Kretschmann rechnet ebenfalls mit neuen Gesprächen, falls sich die Union nicht mit der SPD einigen kann. Eine weitere Sondierungsrunde von Grünen und Union werde es dann mit Sicherheit geben, sagte er der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. »Wir müssten dann im Kern die Dinge vertiefen; sehr viel konkreter vertiefen.« Bei den Gesprächen sei eine Tür geöffnet worden, die früher eher versiegelt schien.

Bevor die Grünen die Sondierungen mit der Union für gescheitert erklärten, hatte Kretschmann nach Informationen der »Süddeutschen Zeitung« in der Nacht zum Mittwoch in einer internen Runde die Frage aufgeworfen, ob man an einigen Punkten nicht nochmals nachhaken müsse. Er war dem Bericht zufolge der einzige Teilnehmer der achtköpfigen Sondierungsgruppe, der diese Option aufbrachte, kam dann aber mit den anderen überein, dass dies keinen Sinn mehr habe.

In einem Beitrag auf der Internetplattform der linken Grünen heißt es, »ohne Verteilungsgerechtigkeit, keine grünen Kernthemen«. Das eine sei ohne das andere nicht zu haben, schreiben dort Oliver Powalla und Andreas Audretsch. »Die Überforderung der einkommensschwachen Haushalte strahlt in die Gesellschaft aus und verunsichert auch die Mittelschicht.« Die »so dringend notwendige ökologische Transformation« stehe nicht neben der ebenso dringend notwendigen sozialen Transformation. »Beide sind grundsätzlich nur als eine sozial-ökologische Transformation denkbar.« Diesen Konsens, »der lediglich die urgrünen Ideen von Nachhaltigkeit und Daseinsvorsorge ausformuliert, sollten wir in den weiteren Debatten und auf der BDK am Wochenende als Gesamtpartei wiederfinden«.

Ein Leitantrag zum Parteitag war am Donnerstagmorgen noch nicht bekannt, die Frist für Änderungsanträge endet bereits am Donnerstagabend. In Berlin stehen auch Wahlen für die Grünenspitze an. Die Bewerbungen finden sich hier. dpa/nd

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