Wenn Arbeitnehmer Krankheit vortäuschen

Außerordentliche Kündigung

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Es kann einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Absatz 1 BGB zur fristlosen Kündigung darstellen, wenn der Arbeitnehmer unter Vorlage eines ärztlichen Attestes der Arbeit fern bleibt und sich Entgeltfortzahlung gewähren lässt - obwohl es sich in Wahrheit nur um eine vorgetäuschte Krankheit handelt. Auch der dringende Verdacht, der Arbeitnehmer habe sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit unlauteren Mitteln erschlichen, kann einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen.

Auf diesen Fall geht der Bremer Fachanwalt für Arbeitsrecht, Klaus-Dieter Franzen, vom Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte (VDAA) unter Bezug auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Rheinland-Pfalz vom 11. Juli 2013 (Az. 10 Sa 100/13) näher ein.

Der Fall: Der 59-jährige Kläger ist seit über 17 Jahren als Masseur bei der Beklagten beschäftigt. Er leidet seit 1996 unter chronischem Bluthochdruck. Für die Zeit vom 20. Juni 2012 bis einschließlich 29. Juni 2012 wurde der Kläger wegen »Belastungsdyspnoe sowie Verdacht auf koronare Herzerkrankung« arbeitsunfähig krankgeschrieben.

Der Kläger litt nach seinen Angaben unter Herzrasen, Atemnot und starker Zunahme von Wasser in den Beinen. Allein das Gehen habe ihm erhebliche Probleme bereitet. Er habe sich ständig ausruhen und erholen müssen. Sein Pulsschlag habe nach normalem Treppensteigen etwa 120/min betragen. Erfreulicherweise habe sich sein Gesundheitszustand durch Medikamenteneinnahme wesentlich gebessert. Er habe sich daher zum Ende der Krankschreibung in der Lage gefühlt, leichte körperliche Arbeiten zu verrichten.

Bei der Beklagten ging aus den Reihen der Belegschaft der Hinweis ein, dass der Kläger während der Krankschreibung im Wohnhaus seiner Tochter Renovierungsarbeiten durchführe. Deshalb beauftragte die Beklagte eine Detektei mit der Observierung des Klägers. Der Kläger wurde daraufhin im Juni 2012 drei Tage von Detektiven beschattet. Die beauftragten Detektive haben den Kläger an diesen Tagen jeweils 8,5 bis 9 Stunden auf der Baustelle gesehen.

Nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit nahm der Kläger seine Tätigkeit als Masseur im Betrieb der Beklagten wieder auf. Die Beklagte konfrontierte den Kläger mit den Beobachtungen der Detektei und hörte ihn zu den Verdachtsmomenten an. Der Kläger räumte einen Teil der Vorwürfe ein. Daraufhin kündigte die Beklagte am 10. Juli 2012 das Arbeitsverhältnis fristlos, rein vorsorglich zum nächstzulässigen Termin.

Entgegen der Entscheidung des zuständigen Arbeitsgerichts hielt das Landesarbeitsgericht die Kündigung für wirksam. Bereits der dringende Verdacht, der Arbeitnehmer habe sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit unlauteren Mitteln erschlichen, kann einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen.

Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer habe sich so zu verhalten, dass er bald wieder gesund wird und an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann. Er hat alles zu unterlassen, was seine Genesung verzögern könnte. Der erkrankte Arbeitnehmer hat insoweit auf die schützenswerten Interessen des Arbeitgebers, die sich aus der Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung ergeben, Rücksicht zu nehmen.

Eine schwerwiegende Verletzung dieser Rücksichtnahmepflicht kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund an sich rechtfertigen. Deshalb kann ein pflichtwidriges Verhalten vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer bei bescheinigter Arbeitsunfähigkeit den Heilungserfolg durch gesundheitswidriges Verhalten gefährdet. Damit verstößt er nicht nur gegen eine Leistungspflicht, sondern zerstört insbesondere auch das Vertrauen des Arbeitgebers in seine Redlichkeit.

Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer während der Krankheit nebenher bei einem anderen Arbeitgeber arbeitet, sondern kann auch gegeben sein, wenn er Freizeitaktivitäten nachgeht, die mit der Arbeitsunfähigkeit nur schwer in Einklang zu bringen sind

Das LAG stellte fest, dass es sich bei den handwerklichen Tätigkeiten, die der Kläger nach dem Bericht der Detektei auf der Baustelle verrichtete, keinesfalls um »leichte«, sondern um mittelschwere körperliche Arbeiten, handelte. Die Fähigkeit, diese Baustellentätigkeiten auszuüben, ließ sich nicht mit dem vom Kläger geschilderten Krankheitsbild in Einklang bringen.

Wenn sich sein anfangs erheblicher Gesundheitszustand wesentlich gebessert haben sollte, wie der Kläger behauptet, wäre er verpflichtet gewesen, seine Arbeit bei der Beklagten wieder aufzunehmen und den Heilungserfolg nicht dadurch zu gefährden, dass er sich mit Bauarbeiten körperlich belastet.

Das LAG hat die Revision zugelassen, weil die Frage, ob der Arbeitnehmer verpflichtet ist, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft vor dem Enddatum der ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anzubieten, wenn sich sein Gesundheitszustand wesentlich verbessert, grundsätzliche Bedeutung hat.

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