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Tschechiens Wahlsieger im Grabenkampf

Sozialdemokraten wollten ihren Parteichef stürzen

  • Jindra Kolař, Prag
  • Lesedauer: 3 Min.
Die tschechische Sozialdemokratie hat zwar die Parlamentswahlen am vergangenen Wochenende gewonnen, doch nun toben schwere Grabenkämpfe an der Parteispitze. Das Wahlvolk reibt sich die Augen.

Der letzte Wahltag war noch nicht vorüber, da versammelten sich Spitzenpolitiker der ČSSD auf dem Landsitz von Staatspräsident Miloš Zeman in Lany. Die Sozialdemokraten hatten mit 20,5 Prozent zwar die meisten Wählerstimmen erhalten, allerdings nicht so viele wie erwartet. Die Riege der stellvertretenden Parteivorsitzenden wälzte alle Verantwortung auf Parteichef Bohuslav Sobotka ab und beriet mit Zeman über die Inthronisierung eines anderen Kandidaten für den Posten des Regierungschefs. Michal Hašek, Kopf der »Putschisten«, hätte das Amt gern selbst übernommen.

Vier Tage lang stritten die Teilnehmer des Treffens ab, überhaupt zusammengesessen zu haben. Am Mittwoch endlich musste Hašek zugeben, dass die Beratung stattgefunden hatte. Bohuslav Sobotka seinerseits erklärte, er denke gar nicht an Rücktritt und erwarte, dass der Präsident ihm den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt.

Das wiederum widerstrebt Miloš Zeman. Nicht nur, dass seine eigene Partei der Bürgerrechte (SPOZ) - die »Zemanovci« - den Sprung ins Parlament verfehlt hat. Gar zu gern würde er sich an Sobotka rächen, dem er unterstellt, für sein Scheitern bei der Präsidentenwahl 2003 (im Parlament) verantwortlich gewesen zu sein. Zehn Jahre später vom Volke doch noch zum Staatsoberhaupt gewählt, mischt sich Zeman über das übliche Maß in die direkte Politik ein, wie das bereits bei der Bestallung von Verfassungsrichtern und der Ernennung von Professoren deutlich wurde. Nun will er offenbar sogar einen Wahlsieger ausbooten. Doch der Versuch, mit Hilfe der Führungsriege Druck auf die ČSSD auszuüben, ist vorerst misslungen.

Allerdings sieht die Partei heute noch weniger als am Abend nach der Wahl wie ein strahlender Sieger aus. Sobotka braucht dringend Koalitionspartner. Die ursprüngliche Idee, sich die Parlamentsmehrheit mit Hilfe der Kommunisten zu sichern, scheitert an zu geringen Abgeordnetenzahlen. Die ČSSD stellt 50, die KSČM 33 Mandatsträger - fehlen 18 für die knappste aller möglichen Mehrheiten im 200-köpfigen Abgeordnetenhaus. Das Manko könnten die Christdemokraten der KDU-CSL oder die Bürgerbewegung »Usvit« (Morgenröte), des aus Japan stammenden Senators Tomio Okamura ausgleichen, die je 14 Abgeordnete stellen.

»Die Aktion der Stellvertreter Michal Hašek, Jeronym Tejc und Milan Chovanec gegen mich hat ein dunkles Licht auf die Sozialdemokratie geworfen«, gestand Sobotka. Über deren Verbleib in ihren Ämtern entscheide jedoch nicht er, sondern der bevorstehende ČSSD-Kongress. Er respektiere auch, dass die Abgeordneten seiner Partei Jeronym Tejc zu ihrem Fraktionschef gewählt haben.

Die Bürger im Lande schütteln derweil die Köpfe. Die Wahl hatte eigentlich im Zeichen des Kampfes gegen Korruption und Machtklüngel gestanden. Nun sind viele der Auffassung, dass »dieselben Banditen, nur von einer anderen Partei« gewonnen haben. Neuling Andrej Babiš, der mit seinen »unzufriedenen Bürgern« (ANO) die zweitstärkste Fraktion im Abgeordnetenhaus stellt, hält sich bisher bedeckt.

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