nd-aktuell.de / 25.01.2000 / Politik / Seite 2

\mm Indios wieder mit leeren Händen

Die Entscheidung über den neuen Präsidenten fiel im Washingtoner State Department

Von Knut Henkel

Die Enttäuschung stand am Wochenende vielen Indios in Ekuador ins Gesicht geschrieben. Sie fühlten sich durch den Armeechef und Verteidigungsminister Carlos Mendoza verraten und verkauft.

Mendoza hatte nur wenige Stunden nach Gründung der «Junta zur nationalen Rettung», der er, der ehemalige Präsident des Obersten Gerichtshofes Carlos Solörzano und Antonio Vargas, Vorsitzender der Dachorganisation der indigenen Bewegung (CONAIE), angehörten, diese wieder aufgelöst. Der überraschende Entschluss kam nach einer Unterredung mit Vertretern des State Department in Washington.

Sie hatten dem General klar gemacht, dass die Junta nicht mit internationaler Anerkennung rechnen könne. Peter F Romero, als Vize-Staatssekretär verantwortlich für die US-Politik in der Region, drohte gegenüber Radio Quito unverhohlen mit der Blockierung von IWF-Krediten für Ekuador, wenn die Armee sich nicht zurückziehe. Ein Treffen für diese Woche in Paris zur Freigabe von Krediten über eine Milliarde US-Dollar sei wegen der Situation in Quito bereits abgesagt wor den. Angesichts des Drucks aus Washington, aber auch von Seiten der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) krebste Mendoza zurück. Er übergab die Regierung gegen den Willen der beiden anderen Juntamitglieder an Vizepräsident Gustavo Noboa Bejarano.

Der gelernte Jurist unterzeichnete wenige Stunden später im Verteidigungsministerium seine Antrittsurkunde. In seinem ersten öffentlichen Auftritt sicherte der neue Präsident den Indigenas zwar zu, den Kampf gegen die Korruption in den Mittelpunkt seiner Arbeit zu stellen, aber an den von seinem aus dem Amt geputschten Vorgänger Jamil Mahuad eingeleiteten Reformen, so auch die Dollarisierung des Landes, wolle er festhalten.

Damit haben die von Gewerkschaften und Studenten unterstützten Indios nur einen Teil ihrer Ziele erreicht. Die Dachor ganisation der indigenen Bewegungen (CONAIE), die eigenen Angaben zufolge rund vier Millionen Indios und somit rund ein Drittel der Bevölkerung Ekuadors repräsentiert, hatte nicht nur den Rücktritt des Präsidenten, der Regierung und des Kongresses gefordert, sondern die vollkommene Neukonstituierung der politischen Landschaft des Landes. Auf Gemeinde- Kreis- und Provinzebene wur den im Laufe der letzten Monate Gegenparlamente gebildet. Sie entsandten wiederum Delegierte in das Nationalparlament der Gemeinden, das am 11. Januar gegründet wurde und dem gewählten Kongress jede Legitimation absprach.

Nicht der Kongress, sondern das Nationalparlament sei das Sprachrohr der ver armten Bevölkerungsmehrheit, die von der Dollarisierung des Landes nur weiteres Elend zu erwarten habe, so deren Präsident Alberto Luna Tobar. Alternative nachhaltige Entwicklung statt neoliberales Wirtschaftsmodell und echte Partizipation statt parlamentarische Selbstbedienungsmentalität sind die zentralen Forderungen der Resolution. Ihr übergeordnetes Ziel ist die Bildung einer neuen Regierung. Deren Aufgabe sei es, ein Ekuador nach den Bedürfnissen des Volkes aufzubauen. CONAIE hatte rund 40 000 Menschen nach Quito mobilisiert, die die wichtigsten Straßen in der Hauptstadt sperrten und die Versorgung teilweise lahm legten, um die amtierende Regierung zum Rücktritt zu zwingen.

Dazu hätte es allerdings der Unterstützung der Armee bedurft, zu der Ende letzten Jahres Kontakte geknüpft wurden. Bereits beim Kongress der CONAIE am 11. November waren Militärs vom progressiven Flügel zugegen. Die Kontakte liefen über Oberst Lucio Gutierrez und eine Gruppe junger Offiziere, die der Krise des Landes, für die sie Präsident Mahuad ver antwortlich machten, ein Ende setzten wollten. Gutierrez organisierte am 24. Dezember ein weiteres Treffen mit der CO- NAIE, die sich zu diesem Zeitpunkt aller dings noch nicht festlegen wollte. Erst mit der von Präsident Mahuad am 9 Januar angekündigte Dollarisierung des Landes und der folgenden «Erhebung» der Indigenas gewann der Prozess an Dynamik.

ND-Karte: Wolfgang Wegener

Am Dienstag vergangener Woche trafen sich die Repräsentanten des Indio-Dachverbandes mit den höchsten militärischen Führungskreisen - die Armee hatte sich mit dem Gedanken vertraut gemacht, dem Präsidenten die Gefolgschaft zu verweigern. Zwei Tage später, als die Demonstranten erstmals Anstalten machten, den Kongress zu stürmen, fiel die Entscheidung. General Carlos Mendoza gab seine Einwilligung zum Putsch und damit, so dachten zumindest seine Mitstreiter aus der «Junta zur nationalen Rettung» auch für ein neues Gesellschaftsmodell. Sie sollten sich täuschen.