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  • Politik
  • Parteienfinanzierung in der Bundesrepublik

Zum Rechtsbruch passt kein Ehrenwort

  • Harald Loch
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Bundesrepublik ist als Parteiendemokratie gegründet worden und hat sich nach dieser Vorgabe des Grundgesetzes auch entwickelt. «Die Parteien wirken an der politischen Willensbildung des Volkes mit», heißt es dort. Sie tun das, indem sie die auf die politische Macht und ihre Ausübung gerichteten Meinungen, Interessen und Bestrebungen hervorbringen oder sammeln. Sie bündeln und formulieren diesen politischen Willen und machen ihn geltend. Das geschieht sowohl im Bereich der Vorfor mung für den politischen Wettbewerb als auch im Bereich der parlamentarisch institutionalisierten staatlichen Willensbildung.

In einer pluralistischen Demokratie gebührt den politischen Parteien ein Status der Freiheit, insbesondere von staatlicher Einflussnahme, ein Status der Gleichheit, der ihnen gleiche Chancen einräumt, ein Status der Öffentlichkeit, der als unabdingbare Voraussetzung ihrer verfassungsrechtlichen Funktionszuweisung anzusehen ist. Diese Publizität soll eine kritische Einschätzung der Willensäußerungen von Parteien erleichtern.

Zur Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben benötigen Parteien Geld. Nicht nur für die Wahlkämpfe, sondern auch für die organisatorische und programmatische Arbeit und die Mitwir kung an der politischen Willensbildung des Volkes außerhalb der mehr von Wer bung geprägten Wahlkämpfe. Die finanziellen Mittel, die von den Mitgliedern über ihre Beiträge aufgebracht werden können, reichen hierfür nicht aus. Also er schlössen sich die Parteien andere Geldquellen: sie sammelten Spenden, sie er wirtschafteten Überschüsse in eigenen Unternehmen, sie bedienten sich - an der Quelle sitzend - beim Staat selbst und genehmigten sich eine Finanzierung aus Steuermitteln.

Seit Gründung der Bundesrepublik hat es ein Spannungsverhältnis zwischen der Finanzierungspraxis und der von den jeweiligen Mehrheitsparteien durchgesetz ten Finanzierungsgesetzgebung einerseits und der vom insgesamt sechs Mal angerufenen Bundesverfassungsgericht entwickelten Rechtsprechung andererseits gegeben. Das heute geltende Recht ist das Ergebnis der letzten Karlsruher Entscheidung von 1992 und regelt im Wesentlichen folgendes:

Die Finanzierung über Mitgliedsbeiträge ist verfassungsrechtlich unproblematisch. Die Finanzierung über Spenden ist an wesentlichen Eckpunkten restriktiv formuliert worden: Alle Einzelspenden über 20000 DM müssen mit dem Namen des Spenders veröffentlicht werden. Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden ist auf einen Betrag von 6000 DM pro Per son begrenzt. Die ja auch aus staatlichen Mitteln finanzierten Fraktionen dürfen keine Spenden an die Parteien leisten. Die staatliche Parteienfinanzierung aus Steuermitteln ist auf einen - gegebenenfalls anzupassenden - Höchstbetrag von 230 Millionen DM begrenzt worden. Ein kompliziertes System von Berücksichtigung der Wahlergebnisse und verschiedenen Modalitäten zur Verbesserung von Chancengleichheit, aber auch Gerechtigkeit der Verteilung regelt die Einzelheiten. Über allem herrscht das Prinzip der Öffentlichkeit. Parteien haben öffentlich darzulegen, wie sie sich finanzieren. Diese Publizität ist ein unverzichtbarer Bestandteil ihrer öffentlichen Darstellung, damit der Wähler sich ein Bild davon machen kann, welche Einflüsse das politische Verhalten der Parteien beherrschen.

Dem Prinzip der Öffentlichkeit, das gesetzlich unmissverständlich geregelt ist, kommt dabei Verfassungsrang zu; denn es ist ein unverzichtbarer Bestandteil im Willensbildungsprozess einer Mehrpar teiendemokratie. Wer also Parteispenden in der Größenordnung von mehr als 20000 DM annimmt und dem Spender Anonymität zusichert, kann diesem hier für nicht sein Ehrenwort geben. Denn die Begriffe Ehre und Rechtswidrigkeit schließen sich in zivilisierten Gesellschaften aus. Übrigens ist die Veröffentlichungsgrenze von 20000 DM identisch mit der im Geldwäschegesetz. Wer jemals bei einer Bank Beträge ab 20000 DM eingezahlt oder abgehoben hat, weiß, dass er sich ausweisen muss - selbst, wenn er der Bank persönlich gut bekannt ist.

Der Prozess der Anpassung der Gesetz gebung an das verfassungsrechtlich Gebotene war schmerzlich. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts waren nicht immer eindeutig und ließen auch nicht immer Kontinuität erkennen. Der jetzt herrschende Rechtszustand wird aber ganz allgemein als befriedigend angesehen, er scheint maßvoll und gerecht zu sein und den Parteien die notwendige Staatsferne zu sichern. Im Detail gibt es eine Reihe von Kritikpunkten, z. B. die in allen Parteien üblichen Mandatsträgerabgaben, die im Falle der Abgeordneten auch wiederum aus staatlichen Diäten stammen und im Widerstreit zu der ver fassungsrechtlich gebotenen Unabhängigkeit der Parlamentarier stehen, die doch nur ihrem Gewissen unterliegen.

Ein ganz anderes Problem ist die Befolgung der Gesetze. Hier ist es so wie mit anderen Gesetzen auch: Keine Vorschrift ist gegen Übertretung gefeit. Und durch neue Gesetze kann die Befolgung der bestehenden nicht verbessert werden. Wir leben in einer Welt, die um die Schwächen der Menschen weiß. Immerhin funktioniert der Rechtsstaat offenbar- denn es war die Staatsanwaltschaft im bayerischen Augsburg, die mit den Ermittlungen gegen Leisler-Kiep alles ins Rollen brachte. Öffentlichkeit wird eben durchgesetzt, wenn sie nicht freiwillig gewährt wird. Dazu dienen die Unabhängigkeit der Justiz und die Pressefreiheit.

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