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Anstehen, Warten, trotz flauem Besucherstrom

  • Lesedauer: 3 Min.

Auch um ins Fort der «Emire» zu kommen, muss man anstehen, zehn Minuten bis eine Viertelstunde. Ähnlich ist es bei vielen Länderpavillons, etwa dem Griechenlands, in dessen Decke sich die Ausstellung samt Besuchern spiegelt, der mit seinen raffiniert präsentierten Exponaten den Bogen von der Antike bis weit ins dritte Jahrtausend spannt. Doch vor der Deutschlandhalle, dem zum Themenpark gehörenden «Planet of Visions», und der «Planet m - medien für menschen» geheißenen Exklave des Bertelsmann-Konzerns müssen sich die Neugierigen buchstäblich die Beine in den Bauch stellen, eine Stunde und länger, trotz Besucherflaute. Also heißt's, sich damit abzufinden, selbst an einem ganz langen Tag - Hallen und Pavillons werden 21.30 Uhr geschlossen - nur einen winzigen Bruchteil der Expo zu sehen oder von Attraktion zu Attraktion zu hetzen, also letztlich vieles zu übersehen, nicht nachzufragen, um oft kryptische «Botschaften» besser oder überhaupt zu verstehen.

Stoff dafür gäbe es in Hülle und Fülle: Zum Beispiel im von deutschen und inter nationalen Konzernen finanzierten (und vermutlich auch maßgeblich inhaltlich geprägten) «Planet of Visions». Zunächst finden wir uns im Paradies wieder, kopfüber an die Decke gehängt, aber dank Spiegelung in Wasserflächen fast mit Händen greifbar. Phantastisch. Nicht auf ein einzelnes Foto zu bannen, kaum mit Worten zu beschreiben. Von dort ging's begleitet von Erläuterungen der ständig älter werdenden «virtuellen Journalistin» Abends gut besetzt: die Seilbahn

Lisa, einer Mulattin, via Monitor oder Grossbildwand, durch «archäologische Ausgrabungen» einer fiktiven Zukunft, in Aachen, Sao Paulo, Shanghai und Dakar. Neben «Funden» aus den Jahren 2000, 2030, 2070 und 2100 wird eine heile Welt präsentiert, ohne Arbeitslosigkeit, Armut, Gewalt, tödliche Krankheiten, eine Welt, in der Allianz, IBM, Siemens usw. usf. nur ein einziges Ziel kennen: ein glückliches Leben aller Menschen und sorgsamer Umgang mit unserem blauen Planeten. Kein Erinnern an «Shareholder value», geschweige denn solch ein böses Wort wie Profit.

Fragen über Fragen. Expo-Generalkommissarin Birgit Breuel (CDU) lädt im Grußwort des Bertelsmann-Guides ausdrücklich ein-, «zum Fragen, Lernen und Diskutieren, zum Ausprobieren, Spielen und Staunen - zum fröhlichen Mitmachen beim Erlebnis Zukunft». Prima. Nur wann haben Erna und Otto oder Franziska und Sven Normal-Besucher Gelegenheit und Zeit dazu?! Und das Geld. Denn für 69 Mark ist die Expo nicht zu haben. Man müsste zwei, drei, fünf Tage kommen. Macht 345 Mark, allein für den Eintritt. Unsere 14-Stunden-Stippvisite erlaubte nur einen ganz winzigen ersten Einblick.

Ein im Pressezentrum angestellter «Kollege» gab sich angesichts dieser Klage verständnislos: «Wenn Sie in den Heidepark Soltau fahren, müssen Sie auch 50 Mark bezahlen und dann anderthalb Stunden anstehen, um zwei Minuten Achterbahn zu fahren.»

Muss ich nicht, würde ich auch nie freiwillig tun. Außerdem ist die Expo 2000 wirklich mehr als irgendein überdimensionierter Rummelplatz

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