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mmmm ÖTV streitet über Beitritt zu Ver.di

Postgewerkschaft auch für kleinere Vereinigung Von Friedrich Siekmeier

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Kleinlicher Satzungsstreit« und die »Verweigerung durch Minderheiten« drohten, »die Vision von Ver.di als Zukunftsprojekt für die gewerkschaftliche Interessenvertretung im Dienstleistungssektor« scheitern zu lassen. Dagegen sollte eine Funktionärskonferenz am 27 August »ein deutliches bundesweites Signal« setzen. »Habt Mut zur Vorläufigkeit und Vertrauen in unsere Kraft, die strittigen Fragen im weiteren Prozess Schritt für Schritt zu klären«, heißt es im Entwurf einer Einladung zu der Veranstaltung, die der Hamburger ÖTV-Landesvorsitzende Wolfgang Rose organisieren wollte. Seine Berliner Kollegin Susanne Stumpenhusen sollte eine Grundsatzrede zum Titelthema »Ver.di ist Zukunft« halten. Sie befürchtet, dass der Organisationsbereich der ÖTV immer kleiner werde, da Bund, Länder und Gemeinden die Beschäftigtenzahlen weiter verringerten. In den privaten Dienstleistungsbereichen wachse zwar die Zahl der Arbeitsplätze, doch in diesen Sektoren gebe es entweder die Konkurrenz mehrerer Gewerkschaften, oder die Unternehmen seien »gewerkschaftsfrei«. Vor diesem Hintergrund drohe der ÖTV der Weg in die »Bedeutungslosigkeit«.

Doch inzwischen hat Wolfgang Rose die Organisierung der Veranstaltung bis zum kommenden Donnerstag ausgesetzt. An diesem Tag soll eine Sondersitzung der ÖTV-Bundes-Geschäftsführung zusammen mit den Vorsitzenden der Landesbezirke stattfinden. Dort will Rose seinen Vorschlag aber in veränderter Form einbringen. »Blankes Entsetzen« sei die Reaktion vieler Mitglieder in Hamburg - vor allem aus den Organisationsbereichen Transport und Verkehr sowie Ver und Entsorgung - auf die scharfe Ablehnung von Ver.di in Teilen der ÖTV gewesen. Ehrenamtliche Funktionäre überlegten, bei einem Scheitern von Ver.di »auch andere Lösungen« anzustreben, rechtfertigt Rose seine Initiative für eine Veranstaltung zugunsten der Gründung Verdis. Aus anderen Organisationsbereichen der ÖTV ist zu hören, dass bei deren endgültigem Ausscheren aus dem Ver.di-Prozess ganze Mitgliedergruppen die ÖTV verlassen könnten.

Wolfgang Rose begründet das Aussetzen der Planungen für die Veranstaltung damit, dass sie vielleicht zu sehr auf Polarisierung ausgerichtet gewesen sei. Deshalb möchte er jetzt stärker auf Diskussionen mit den Kritikern des bisherigen Verschmelzungsprozesses der fünf Gewerkschaften setzen. Daher habe er seinem Kollegen Hartmut Limbeck, Vorsitzender des größten ÖTV-Bezirks Nordrhein-Westfalen II (NW II) und Wortführer der Kritiker, ein Treffen ehrenamtlicher Funktionäre vorgeschlagen.

Der Vorstand von NW II hatte zuvor in einem einstimmigen Beschluss Roses Vor schlag einer Pro-Ver.di-Veranstaltung gerügt, da diese »eher die ÖTV spaltet« als gemeinsame Zukunftsperspektiven zu formulieren. Zudem sei sie »ein Angriff auf den Vorsitzenden der ÖTV«, Herbert Mai. Diesem spricht der Bezirksvorstand seine »Anerkennung« aus, dass er - wie der ÖTV-Vorstand insgesamt - »akzeptiert habe, dass für die in der Ver.di-Gründungsorganisation verabredeten Grundlagen für Ver.di eine Mehrheit in der Gewerkschaft ÖTV nicht zu erreichen ist«. Das ist eine überraschende Wende, da NW II in der Vergangenheit Mai wegen zu großer Nachgiebigkeit im Ver.di-Prozess kritisiert hatte und ihm wie dem gesamten Vorstand deshalb noch auf dem jüngsten Gewerkschaftstag eine Abstimmungsniederlage bereitet hatte.

Unterdessen hat als erste der vier anderen Gewerkschaften die Deutsche Post- Gewerkschaft (DPG) Schlussfolgerungen aus der unsicheren Haltung der ÖTV gezogen: Einstimmig sprach sich deren Hauptvorstand dafür aus, »mit der DAG, der HBV und der IG Medien zunächst ohne die ÖTV das Projekt einer neuen Dienstleistungsgewerkschaft zum Erfolg zu führen«, falls die ÖTV die notwendige Mehr heit nicht erreichen sollte. Aber selbst dann müsse »eine enge Verzahnung von Ver.di und ÖTV« gefunden werden. Nachverhandlungen und »eine inhaltliche Ver änderung« bislang gefasster Beschlüsse der Ver.di-Gründungsorganisation kommen für die DPG allerdings »nicht in Betracht«.

Damit vollzieht das oberste Beschlussgremium der DPG das nach, was die Spitzen der vier Gewerkschaften auf einem Krisentreffen schon als Möglichkeit genannt hatten (ND berichtete). Uneinigkeit gibt es für den Fall des Scheiterns über die möglichen Formen der Zusammenarbeit von Ver.di und ÖTV Der IG Medien wäre ein Kooperationsvertrag mit der ÖTV zu wenig; sie befürwortet vielmehr eine gemeinsame Kartellgewerkschaft, also ein gemeinsames Dach über Ver.di und ÖTV auch mit einem gemeinsamen Vorstand. Der DAG-Vorsitzende Roland Issen dagegen möchte keine Kartellstruktur, weil diese möglicherweise dem DGB Konkur renz machen könnte. Indessen sah sich Herbert Mai am Wochenende veranlasst, die Notfallpläne der vier anderen Gewerk Schäften als »kontraproduktiv« zurück zuweisen. Und auch die HBV-Vorsitzende Margrit Mönig-Raane betonte am Sonntag nochmals, eigentlich »nach wie vor an einer Lösung mit der ÖTV festhalten« zu wollen.

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