Säulen des Genres

Das Alban Berg Quartett zu Gast in Berlin

  • Liesel Markowski
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.
Seit mehr als 30 Jahren konzertieren sie in den Musikmetropolen der Welt: Die Streicher des Alban Berg Quartetts. Das künstlerische Höchstmaß ihres Spiels blieb erhalten, als im vergangenen Jahr der Tod des Bratschisten Thomas Kakuska eine schmerzliche Lücke aufriss. Dessen Meisterschülerin Isabel Charisius musiziert nun mit den Geigern Günter Pichler und Gerhard Schulz und dem Cellisten Valentin Erben. Was die unverwechselbare Eigenart dieses Ensembles ausmacht, ist neben der klanglichen Homogenität eine geradezu organische Übereinstimmung des Musizierens, die das Quartett gleichsam zu einem Instrument aus vier Individuen werden lässt und das Wesen eines Werkes interpretierend öffnet. Kein Star- oder Karrieredenken, allein die ästhetisch-gedankliche Wahrheit der Stücke ist maßgebend. In dieser musizierenden Identifikation liegt - neben der virtuosen Souveränität - das Faszinierende des Alban Berg Quartetts. Beim Abend im gut besuchten Kammermusiksaal der Philharmonie war dies vom ersten bis zum letzten Takt zu spüren: Im wohllautend fülligen Sound, in präziser Artikulation und deutlicher Gestik realisierten »die Bergs« den Charakter der Musiken. Auf dem Programm: Mozart und Bartók. Gewissermaßen als zwei Säulen des Genres in klassischer und moderner Meisterschaft beziehungsreich vereint. Zwei Werke aus der Reifezeit Mozarts - inspiriert durch die Quartette Haydns, den »teuersten Freund«, erklangen in bewundernswerter Reinheit. Das d-Moll-Stück, KV 421, unruhig und dramatisch, war wie unentrinnbar dicht formuliert: ein leidenschaftliches Eingangs-Allegro, ein melancholisches Andante und widerborstiges Menuetto zielten auf das hintergründig tragische, in seiner Abgründigkeit an Schubert gemahnende Finale. Gespannte Intensität, der die freundliche D-Dur-Gelöstheit von KV 499 folgte: in wunderbarem kunstvollem Ensemblespiel, das beim ergreifenden Adagio-Gesang einen Höhepunkt fand. Zu einer ganz anderen Klangwelt des Tragischen führte Béla Bartóks 6. Streichquartett - zu hören hier in erschüttender Expressivität. Geschrieben hat der ungarische Komponist dieses Stück 1939 angesichts des beginnenden zweiten Weltkrieges und seiner todkranken Mutter. 1940 emigrierte er in die USA vor der bedrückenden Aussicht, »dass sich auch Ungarn diesem Räuber- und Mördersystem ergibt«, der Naziherrschaft, wie schon Österreich. Das Quartett, sein letztes in der Heimat geschriebenes Werk, ist von Verzagtheit gezeichnet. In der Interpretation des Alban Berg Quartetts empfand man seine unmittelbare Gültigkeit inmitten heutiger Not und Bedrohung. Mit äußerster Eindringlichkeit wurde dem Grundthema des Ganzen Gestalt gegeben: dem Mestro-Ritornell, einem Klagegesang, der sich vom sensiblen Bratschen-Solo zu Beginn - kontrastiert durch die skurrilen Mittelsätze »Marcia« und »Burletta« - zum vollstimmigen Finale zieht. Es ist ein Drama der Resignation und Trauer. Die Streicher des Alban Berg Quartetts haben es in feinstem Musizierton bewegend geg...

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