Recht für Arme nur auf Pump?

Drei Länder wollen Prozesskostenhilfe begrenzen und erschweren

  • Claus Dümde
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein »Prozesskostenhilfebegrenzungsgesetz« war diese Woche Thema im Bundesrat. Die Länder erhoffen sich davon »wesentliche Einsparungen«. Doch für Arme wird es künftig noch schwieriger, Recht zu bekommen.
Selbst die Antragsteller Niedersachsen und Baden-Württemberg, beide von CDU/FDP-Koalitionen regiert, räumen im Vorspruch ihres Gesetzentwurfs ein, dass der Staat mit der Prozesskostenhilfe »seine verfassungsrechtliche Verpflichtung (erfüllt), bedürftigen Parteien den Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen«. Denn der kommt Rechtssuchende selbst dort teuer, wo - bisher noch - keine Gerichtsgebühren kassiert werden. Gesetzgebung und Rechtsprechung sind so kompliziert, widersprüchlich, oft auch Auslegungssache, dass Normalbürger ohne Beistand eines - guten! - Anwalts oft wenig Chancen haben, ihr Recht zu bekommen. Deshalb wurde schon 1980 das »Armenrecht« durch die Prozesskostenhilfe abgelöst. In den Paragrafen 114ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) sind die Voraussetzungen, sie zu erhalten, detailliert geregelt. Sie sollen nun verschärft werden. Weil die Ausgaben für Prozesskostenhilfe seit 2001 »erheblich gestiegen« sind, müsse man die Leistungen auf das »gebotene Maß« begrenzen. Im Mittelpunkt soll »eine angemessene Erhöhung der Eigenbeteiligung der bedürftigen Partei an den Prozesskosten« stehen. Das scheint paradox: Wie soll sich jemand, der »bedürftig« ist an den Kosten beteiligen?. Im Justizministerium Schleswig-Holsteins, das den Gesetzentwurf mit eingebracht hat, verweist man auf die scheidungswillige Zahnarztgattin, die mit Prozesskostenhilfe die Hälfte eines Einfamilienhauses erstreitet, aber derzeit dennoch die Kosten nicht übernehmen muss. Ein neuer § 120a ZPO soll das ändern: Wer per Prozess etwas erlangt, hat daraus die Kosten aufzubringen, wenn das möglich ist. Im geschilderten Falle wäre das nur gerecht. In Kiel sieht Justizminister Uwe Döring (SPD) »Möglichkeiten der Kostensparung« u. a. auch bei der Höhe der Freibeträge und den Ratenzahlungsmodalitäten. Künftig solle Prozesskostenhilfe nur noch bekommen, wem »nach Abzug aller Kosten im Monat 450 Euro freies Einkommen verbleiben«. Derzeit liegt die Grenze bei 750 Euro. In Stuttgart präzisierte FDP-Minister Ulrich Goll: »Jeder, dessen Einkommen und Vermögen über das im Sozialhilferecht definierte Existenzminimum hinaus geht, soll in Zukunft Prozesskostenhilfe nur noch als Darlehen erhalten, das vollständig zurückgezahlt werden muss.« In Raten von zwei Dritteln des verfügbaren Einkommens . Antragsteller auf Prozesskosten- hilfe müssen sich künftig ebenso entblößen wie die auf ALG II. Wer dem nicht zustimmt oder Angaben verweigert, erhält keinen Cent. Um zu sparen, sollen selbst die juristischen Voraussetzungen für Prozesskostenhilfe ausgehebelt werden. Derzeit steht sie laut § 114 ZPO Bedürftigen zu, »wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint«. Nun wird dekretiert: »Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, soweit eine nicht Prozesskostenhilfe beanspruchende Partei bei verständiger Würdigung aller Umstände trotz hinreichender Aussicht auf Erfolg von der beabsichtigten Prozessführung absehen würde.« Mit dieser Behauptung lässt sich jeder Antrag ablehnen. Um Kosten zu sparen.
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