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Buddha-Zerstörung nur Bluff?

Taleban-Kulturminister- Ich weiß nicht, wie viel schon zerstört ist

  • Lesedauer: 3 Min.

Von Jan Heller, Kabul

Das Schicksal der einzigartigen Buddhas von Bamian scheint, trotz aller gegenteiligen Äußerungen der afghanischen Taleban, noch nicht besiegelt zu sein. Während besonders Taleban-Kulturminister Mulla Qudratullah Jamal sich mit einer Schreckensmeldung nach der anderen hervortut, gibt es noch keine unabhängige Bestätigung dafür, dass die Zerstörung der beiden Kollossalfiguren tatsächlich in größerem Umfang begonnen hat. Die Agentur Reuters, die über einen gewöhnlich gut unterrichteten einheimischen Korrespondenten in Kabul verfügt, meldete am Sonntag unter Berufung auf eine nicht näher spezifizierte Taleban-Quelle: »Wir haben noch nicht damit begonnen, sie (die Buddhas) zu zerstören, aber wir haben das vorbereitet und es kann jeder zeit stattfinden.« Dies kann man auch als Warnung lesen, noch einmal das gesamte Protestpotenzial zu aktivieren.

Noch unbestätigte Berichte aus Bamian selbst lassen ebenfalls Hoffnung aufkommen. Auch von dort heißt es, bisher habe das Zerstörungswerk noch nicht begonnen. Dagegen stehen zahlreiche detaillierte Äußerungen Jamals vom Sonntag. Er machte noch einmal klar, dass die ultraislamistische Bewegung die Fatwa der Taleban-Islamgelehrten in deren Zentrum Kandahar nicht zurückzunehmen gedenkt. »Die Taleban werden keinerlei Appell akzeptieren, ihre Entscheidung zu revidieren«, sagte er in Kabul.

Köpfe und Füße der beiden Statuen seien bereits zerstört. »Unsere Soldaten arbeiten hart daran, die verbliebenen Teile (der Buddhas) zu zerstören«, fügte Jamal hinzu. Gleichzeitig gab er zu, dass er nicht genau wisse, »wie viel davon bereits getan« sei. Nach anderen Berichten seien bereits Panzer und Granatwerfer gegen die Buddhastatuen im Einsatz gewesen. Sprengstoff in der Nähe der Statuen werde gesammelt.

Am Montag herrschte auf Taleban-Seiten völlige Funkstille. Bereits 1998 waren Panzergeschosse und Granaten auf die aus dem Fels gemeißelten Steinkolosse abgefeuert worden, haben aber weniger Schaden angerichtet, als die Taleban damals beabsichtigten. Gefährlicher ist dagegen Sprengstoff. Bereits zum gleichen Zeitpunkt hätten die Taleban Löcher in den Kopf des großen, etwa 50 Meter messenden Buddhas gebohrt, die jetzt ver wendet werden könnten.

An anderen Orten in Afghanistan könnte das Zerstörungswerk allerdings schon weiter vorangeschritten sein. Jamal zu Folge sind seit Donnerstag in Herat, Ghazni, Kabul und Nangarhar Dutzende »Idole« aus Holz und Lehm zerschlagen worden. »Sie waren leicht zu zerbrechen und es dauerte nicht lange«, so Jamal.

Laut der von ausländischen Botschaftern in Pakistan gegründeten und von der UNESCO finanzierten »Gesellschaft für die Bewahrung des Kulturerbes Afghanistans« (SPACH) beherbergt allein das Nationalmuseum Kabul 6000 buddhistische Relikte. Der Verweis auf Holzstatuen deutet darauf hin, dass auch Schnitzereien der bis Ende des 19 Jahrhundert nichtislamischen Minderheiten im Nordosten des Landes dem Vandalismus der Taleban zum Opfer gefallen sein könnten. Seit Sonntag versucht ein Sonderbotschafter der UNO-Kulturorganisation UNESCO in Kandahar direkt bei Taleban- Chef Mulla Muhammad Omar zu intervenieren. Pierre Lafrance, ein früherer französischer Botschafter in Pakistan, wollte eine Botschaft von UNESCO-Generaldirektor Koichiro Matsuura überbringen, die Demolierung zu stoppen. Unterdessen lehnte Taleban-Außenminister Mulla Wakil Ahmad Muttawakil ein Angebot Irans ab, die beiden Buddhas zu kaufen und abzutransportieren. Auch Thailand hatte offeriert, die beiden Statuen zu kaufen und damit zu erhalten. Indiens Regierung bot wie Griechenland an, alle bedrohten Kulturgüter zu übernehmen, sie »sicher aufzubewahren und für die ganze Menschheit zu bewahren«. Der UNO-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Francesco Vendrell, hatte sich noch am Freitag gegenüber dem Taleban-Botschafter in Pakistan für ein ähnliches Angebot des New Yorker Metropolitan Museum of Art eingesetzt, die Statuen zu kaufen, bevor sie zerschlagen werden. Vendrells Vorgesetzter, UNO- Generalsekretär Kofi Annan, hatte dieses Angebot in einem persönlichen Brief an Pakistans Militärmachthaber General Pervez Musharraf übermittelt. Die »Association of Art Museum Directors«, die 175 wichtige Kunstmuseen in den USA, Kanada und Mexiko vertritt, hat erklärt, sie würde »jeden Versuch« unterstützen, die Kunstschätze zu retten.

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