Paris stoppt Atomgespräche mit Iran

Noch keine Einigung, aber weiter Hoffnung auf eine Verhandlungslösung in Genf

  • Marc Engelhardt, Genf
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Gespräche über das iranische Atomprogramm sind ohne Ergebnis vertagt worden, weil Frankreich Teheran nicht traut. Diplomaten sind dennoch optimistisch.

Über dem Hotel Intercontinental waren bereits dunkle Regenwolken aufgezogen, als die Gespräche über das iranische Atomprogramm um ein Uhr früh am Sonntagmorgen endeten. So wie das Wetter, so hatte sich auch das Geschehen im Inneren der abgeschirmten Konferenzsäle entwickelt: Während am Samstag zunächst bei Sonnenschein noch Hoffnung auf eine Einigung herrschte - angefeuert durch die überraschende Anreise von US-Außenminister John Kerry und seinen Kollegen der Vetomächte im Sicherheitsrat und Deutschlands -, zeichnete sich im Laufe des Tages ab, dass es wohl doch noch nicht genügend Vertrauen selbst für eine Übergangslösung geben würde.

»Es hat konkrete Fortschritte gegeben, aber es gibt auch weiterhin Differenzen«, erklärte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, die nach Genf geladen hatte. »Es gibt meines Erachtens keinen Zweifel daran, dass wir uns jetzt näher sind als zuvor«, legte John Kerry nach, der seit seiner Ankunft am Freitag mehr als zehn Stunden mit seinem iranischen Amtskollegen Dschawad Sarif geredet haben soll. Der amtierende Bundesaußenminister Guido Westerwelle sprach von wichtigen Fortschritten. Und auch Sarif selber gab sich zuversichtlich, dass bei der nächsten Gesprächsrunde am 20. November mit weiteren Fortschritten zu rechnen sei. »Ich bin nicht enttäuscht«, so Sarif. »Wir hatten drei sehr produktive Tage, darauf werden wir aufbauen.«

Gescheitert sind die Gespräche offenbar nicht an Sarif und auch nicht an US-Außenminister Kerry. Beide waren nach Informationen aus Diplomatenkreisen zum Schluss zu einem ersten Kompromiss bereit: Die Regierung des neuen iranischen Präsidenten Hassan Rohani hätte für sechs Monate das Atomprogramm ausgesetzt, dafür hätten die USA erste Sanktionen gelockert - für den wirtschaftlich stark angeschlagenen Iran von größter Wichtigkeit. Im Windschatten des Übergangsabkommens hätte die 5+1-Runde dann über ein umfassendes Abkommen verhandelt, das dem Westen die erhoffte Sicherheit und Iran die Möglichkeit auf ein ziviles Atomprogramm garantieren würde.

Doch ausgerechnet Frankreichs Außenminister Laurent Fabius ließ den von EU-Diplomaten seit Wochen mühevoll vorbereiteten Kompromiss platzen. »Es sind noch einige Fragen offen, die geklärt werden müssen«, teilte er den wartenden Journalisten lapidar mit, noch bevor Verhandlungsführerin Ashton vor die Presse trat. Unter Diplomaten ist das mehr als ein Tritt gegen das Schienbein. Bis kommende Woche soll auf Wunsch Frankreichs über den Baustopp am Schwerwasserreaktor in Arak verhandelt werden, in dem waffenfähiges Plutonium produziert werden könnte. Auch die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent, an der die Iraner festhalten wollen, will Fabius noch vor einem ersten Entgegenkommen stoppen. Für eine zivile Nutzung, so seine Argumentation, würden fünf Prozent vollkommen ausreichen.Gescheitert ist die Verhandlungsrunde aber nicht an solchen technischen Details, sondern vor allem an mangelndem Vertrauen.

Vor zehn Jahren hatte Iran schon einmal einem Stopp der Urananreicherung zugestimmt, das Abkommen zwei Jahre später aber gebrochen. »Da ist soviel Vertrauen verloren gegangen, dass es mehr als zwei Verhandlungsrunden braucht, um es wieder herzustellen«, glaubt ein Diplomat. Ihm zufolge sind die Unterhändler aber trotz Frankreichs Blockade zuversichtlich. »Dass Kerry und Sarif den Saal durch die gleiche Tür betraten, bei den Gesprächen sogar nebeneinander saßen - all diese kleinen Zeichen sind in der Summe der Beleg, dass in den drei Tagen mehr erreicht wurde als in den letzten zehn Jahren.«

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