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Sioux und Mönche ziehen ins Schloss

Debatte zum Konzept der geplanten Ausstellung im Humboldtforum legt die Mängel offen

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein Werkstattgespräch der Stiftung Berliner Schloss zeigt, wie skeptisch viele Bürger, aber auch Kunstdirektoren den Plänen für das Humboldtforum gegenüberstehen.

»Zweifel« stand in großen Lettern auf einem Foto, das Annette Dittel in ihre Präsentation der Ausstellungskonzeption »Historische Mitte Berlin − Identität und Rekonstruktion« für das in Humboldtforum umgetaufte Stadtschloss aufgenommen hatte. Die großen Lettern prangten zwar über dem Palast der Republik; die Momentaufnahme aus der kurzen Phase der Zwischennutzung nach der Asbestsanierung und vor dem Abriss sollte offensichtlich dieses Gebäude mit dem Geist der Skepsis durchtränken. Dieser Geist bestimmte dann aber auch die gesamte Debatte ums Schloss.

Diskussionen darüber, ob die ca. 300 Quadratmeter Ausstellungsfläche für den historischen Exkurs angemessen sind, erstickte die Museumsprominenz auf dem Podium zwar schnell mit der Bemerkung, es käme nicht auf die Fläche an, sondern auf die konzeptionelle Ausrichtung. »Wie viel Mauer braucht man, um an die Mauer zu erinnern?«, fragte Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Er verwies darauf, dass die Geschichte der Hohenzollern in ihrer erhaltenen Zweitresidenz, des Schlosses Charlottenburg, schon jetzt umfassend erzählt sei. »Was fehlt, ist der Hinweis, dass die Entwicklung der Berliner Schlösserlandschaft vom Stadtschloss ausgegangen ist«, meinte er. Doch braucht man dazu eine nachgemachte Schlossfassade und eine Kuppel, die aus bautechnischen Gründen nicht begehbar ist?

Alexander Koch, Präsident des Deutschen Historischen Museums (DHM), verwies seinerseits darauf, dass in Kürze Ausstellungen an zahlreichen Orten in unmittelbarer Nähe des Humboldtforums die Geschichte der Altstadt und damit auch des dort gebauten Schlosses in Erinnerung rufen würden. Er hielt - wie Dorgerloh - das »archäologische Fenster«, das einen Blick auf die mittelalterlichen Kelleranlagen von Schloss und dem einst angrenzenden Dominikanerkloster erlaubt, für einen wertvollen Beitrag. Ebenso das sogenannte Lapidarium, einen Saal, in dem die geretteten und restaurierten Originalskulpturen der Schlossfassade gezeigt werden sollen. Sie sind wegen der mangelnden Wetterfestigkeit des Sandsteins nicht für den ursprünglichen Außenstandort geeignet.

Zweifel allerdings begleiteten die Ausstellungskonzeption selbst. Hatte Annette Dittel in ihrem Vortrag bereits betont, nur sehr sparsam mit historischen Objekten umgehen zu wollen und die Schlossgeschichte vor allem mittels multimedialer Guides zu erzählen, so strichen Koch und Dorgerloh die digitale Komponente als zeit- und zukunftsgemäß noch weiter heraus. Das ist sicher konsequent. Allerdings stellt sich die Frage, warum überhaupt ein Viertel Schloss aufgebaut werden muss, wenn sich die Erinnerung daran mit GPS-gesteuerten Apps, die digitale Hologramme von Innen- und Außenansichten des Baus und Animationsfilme zur Ereignisgeschichte enthalten, viel intensiver visualisieren lässt?

Dorgerloh wies auf einen weiteren Knackpunkt hin: Wie erzählt man den meist internationalen Besuchern, warum sie nach Durchschreiten eines Barocktores auf ein modernes, neutrales Innere treffen? »Die denken dann doch: ›Warum wurde dieser Bau so schlimm entkernt?‹«, meinte der Schlösser- und Gärtenchef - und erntete einige Lacher. Wie stark die Debatte um die Historisierung des Schlosses ins Leere lief, zeigte sich schließlich an einem Beitrag eines Restaurators aus den Dahlemer Museen, die in Zukunft den größten Teil des Humboldtforums mit ihren Exponaten aus der Geschichte der außereuropäischen Kulturen bespielen werden. »Sie werden sich alle noch wundern. Da wird es nichts von Preußen geben. Da ziehen die Sioux-Indianer ein und buddhistische Mönche«, sagte er.

Angesichts manch giftiger Aufrechnungen aus dem Publikum über 500 Jahre Schlossgeschichte versus 14 Jahren Nutzungs- und 18 Jahren Abrissgeschichte des Palastes der Republik zeigte sich aber auch, dass manche Teile der Bevölkerung noch immer nicht versöhnt sind. Gerade diese Unversöhntheit produziert absurde Zwitterlösungen wie den viertelhistorischen Wiederaufbau des Schlosses, ein die Museumsleute eher behinderndes Raumprogramm und eine seltsame Kombination aus Bibliothek, Museum sowie Präsentationsfläche Humboldt-Universität.

Eines immerhin muss man der Stiftung Berliner Schloss, dem Einlader des Werkstattgesprächs, lassen: Anders als der Bauherr öffentliche Hand, der etwa am Flughafen oder auch beim Staatsopernumbau im Geheimen kostenintensiv vor sich hinwurstelt, gestatten die Unterstützer des Schlossbaus in regelmäßigen Abständen Einblicke in den Fortgang der Arbeiten und Planungen.

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