Linke mit guten Chancen in Honduras

Präsidentschaftskandidatin Xiomara Castro führt in den meisten Meinungsumfragen

  • Jutta Blume, Tegucigalpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Sonntag werden in Honduras 5,4 Millionen Wahlberechtigte ein neues Parlament, die Abgeordneten des Kongresses sowie die Kommunalregierungen wählen. Die nach dem Putsch gegen Manuel Zelaya 2009 gegründete linke Partei LIBRE liegt aussichtsreich im Rennen. Zelayas Ehefrau Xiomara Castro trifft bei der Präsidentschaftswahl unter anderem auf den militärischen Anführer des Putsches, General Romeo Vásquez Velásquez. Bei den Wahlen in Honduras treten erstmals vier neue Parteien an. Das traditionelle Zweiparteiensystem könnte damit Geschichte werden.

Die Präsidentschaftskandidatin Xiomara Castro der neu gegründeten linksgerichteten Partei Freiheit und Neugründung (LIBRE) führt in den meisten Meinungsumfragen vor dem Kandidaten der regierenden Nationalen Partei, Juan Orlando Hernandez. Schon jetzt gelten die Wahlen als historisch, da das traditionelle Zweiparteiensystem, bei dem sich Nationale und Liberale Partei in der Regierung ablösten, ernsthaft in Frage gestellt wird. Neben LIBRE tritt die Antikorruptionspartei des Fernsehmoderators Salvador Nasralla erstmals zu den Wahlen an. Sie wird voraussichtlich ebenfalls im Kongress vertreten sein und für neue Mehrheitsverhältnisse sorgen.

Seit dem Putsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Manuel Zelaya im Juni 2009 ist die honduranische Gesellschaft tief gespalten. Zelaya, der der Liberalen Partei angehörte, hatte einen Reformprozess in Gang gesetzt, der zum Beispiel mit einem gesetzlichen Mindestlohn den armen Bevölkerungsschichten zugute kommen sollte. Außerdem hatte er sich dem alternativen Wirtschaftsbündnis ALBA um Venezuela und Kuba zugewandt.

Nach dem Putsch bildete sich in der Bevölkerung eine breite Widerstandsbewegung, die auch mit den Neuwahlen im November 2009 nicht endete. Vielmehr erkannten große Teile der Widerstandsbewegung die neue Regierung unter Porfirio Lobo Sosa von den Nationalen nicht an. 2011 durfte Manuel Zelaya nach dem von den Präsidenten Hugo Chávez (Venezuela) und Juan Manuel Santos (Kolumbien) ausgehandelten Abkommen von Cartagena nach Honduras zurückkehren. Nach seiner Rückkehr gründete er mit Teilen der Widerstandsbewegung die Partei LIBRE, für die seine Ehefrau Xiomara Castro nun als Präsidentschaftskandidatin antritt.

Castro verspricht in erster Linie eine politische Neugründung des Landes durch eine verfassunggebende Versammlung, wie sie Zelaya schon 2009 angeregt hatte. Des weiteren möchte sie das Land demilitarisieren und die vorherrschende Korruption und Straflosigkeit bekämpfen. Unter der Regierung Lobo sind dem Militär zahlreiche Polizeiaufgaben übertragen worden. Erst im Oktober nahm die neu ins Leben gerufene »militärische Polizei der öffentlichen Ordnung« ihre Arbeit auf. Neben Militarisierung und Unsicherheit zählt die Armut zu den wichtigsten Problemen des Landes. Zwei Drittel der Bevölkerung lebt in Armut, 57 Prozent sind unterbeschäftigt.

Bertha Oliva vom Komitee der Familienangehörigen von Verhaftet-Verschwundenen in Honduras (COFADEH) sprach kürzlich von einem Menschenrechtsnotstand, der in Honduras eingetreten sei. Laut COFADEH kam es zu illegalen Hausdurchsuchungen und Einschüchterungen von LIBRE-Mitgliedern und Gewerkschaftern durch die neue Militärpolizei. Nationale und internationale Menschenrechtsverteidiger werden vom Präsidentschaftskandidaten Juan Orlando Hernández öffentlich diskreditiert. Einer Untersuchung von Rights Action zufolge sind seit Mai 2012 mindestens 36 Kandidaten und Angehörige von politischen Parteien ermordet worden, die Hälfte davon gehörte der Partei LIBRE an.

Das Vertrauen der Bevölkerung in einen fairen Wahlprozess ist gering, laut dem unabhängigen Meinungsforschungsinstitut CESPAD befürchten 59 Prozent der Bevölkerung Wahlbetrug. Die Tageszeitung »El Heraldo« berichtete von Einschüchterungsversuchen gegenüber Universitätsangehörigen, die am 24. November in einem Teil der Wahllokale die Aufsicht führen. Die Wahlaufsicht ist für die anschließende Übergabe der Wahlurnen zuständig. Die Wahlbeobachtungsmission der Europäischen Union, die mit 90 Personen im Lande ist, kritisiert derweil die fehlende Transparenz bei der Finanzierung der Wahlkampagnen. Keine der zur Wahl antretenden Parteien hat bislang ihre Finanzquellen offengelegt.

Trotz aller Befürchtungen wird die Wahlbeteiligung voraussichtlich sehr hoch sein. 80 Prozent der Wahlberechtigten gaben gegenüber CESPAD an, am Sonntag zur Wahl gehen zu wollen. Bei den letzten Wahlen im November 2009 lag die Beteiligung bei nur 49 Prozent. Honduras kennt keine Stichwahl. Wer am Sonntag die meisten Stimmen einsammelt, gewinnt. Deshalb liegt in der Verkündigung des Wahlergebnisses eine große Brisanz - umso mehr, wenn es eng werden sollte.

Unsere Autorin bereist derzeit Honduras mit Unterstützung von Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst.

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