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Sehnsüchte

Gail Jones bringt mit ihrem Roman Welt ein

  • Walter Kaufmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Verlag wird den Roman der Australierin Gail Jones neu benannt haben, weil »Ein Samstag in Sydney« mehr Leser gewinnen könnte als der Originaltitel »Five Bells« (Fünf Glocken). Falls dem so ist, gut so - dieses Buch soll unter die Leute! Es ist sorgfältig geschrieben, und der Übersetzung ist das poetische Englisch so anzumerken, dass es eine Freude ist. Die Komposition ist gekonnt, und ungewöhnlich ist sie auch.

Die vier Menschen, die beschlossen haben, in Sydney zu leben, sind im Roman in ihrer Einmaligkeit aufgehoben: die Australierin Ellie und Gennaro DeMello, genannt James DeMello, Sohn italienischer Eltern, den sie nicht vergessen kann; Catherine Healy aus dem irischen Dublin und Pei Xing, die Chinesin aus Schanghai. Auch die Stadt Sydney ist aufgehoben in dem Buch, besonders die Hafengegend mit der grandiosen Brücke, dem Opernhaus dort, den Rocks mit den Cafes, Kneipen, Gaststätten und Circular Quay mit seinem wild-bunten Treiben.

»Der Hafen war größer, als Catherine erwartet hatte, und von einem unglaublichen Kornblumenblau. Sie blickte auf das glitzernde Wasser und die alten Häuser von Wooloomooloo. Sie sah die perlenartige Rückseite der Finger Wharves und ein Band aus grünem Gras, sanft ansteigend …« Wirklich, Gail Jones kennt und liebt ihre Stadt - die Beschreibungen wecken Sehnsüchte.

Vor solcher Kulisse offenbaren sich die Lebenswege derer, um die es Gail Jones geht. Wege aus Irland, aus China, einer australischen Kleinstadt. Gail Jones bringt Welt ein. Sie ist einfühlsam, hat Verständnis, hat Erfahrung. Woran zerbricht James DeMallo? Woran scheitert die Liebe dieses sensiblen jungen Mannes? Was bewegt Catherine Healy zur Flucht aus Dublin, ihrem »düsteren« Dublin?

Woher nimmt Pei Xing die Kraft, all ihre Erniedrigungen in Zeiten der Kulturrevolution zu ertragen, woher den Mut zur Abkehr von Schanghai, um in Sydney den Neubeginn zu wagen? Und wie lebt sie mit der Erinnerung an die Ermordung ihrer Eltern?

Warum eigentlich ist in zwanzigjähriger Trennung Ellies Sehnsucht nach James nicht verblasst? Es geht ans Herz zu lesen, wie sie sich auf dem Flohmarkt ein schönes Kleid kauft, von dem sie hofft, dass es sie begehrenswert für James machen und - er es ihr ausziehen wird. Sie hofft es, als James längst im Hafen ertrunken ist. Warum dieser Freitod, von dem Ellie nichts ahnt, noch nichts erfahren hat? »Ich muss James anrufen, ich muss James anrufen, muss anrufen, anrufen …«

Gail Jones versteht es, den Tod des jungen Mannes begreiflich zu machen, und auch, dass sich am Ende Pei Xing mit der Gefängniswärterin versöhnt, die sie geschlagen und gedemütigt hatte. Und sie bringt auf wundersame Weise die Menschen zusammen, die ihr gestaltenswert waren.

Nicht allein, dass sie alle von Sydney bezaubert sind (ja, bezaubert!), stets sind es reale, sehr glaubhafte Begebenheiten, die sie zueinander führen. Das Buch ist ein Page-Turner, wie die Australier es nennen, ein Buch, das man bis zum Ende nicht aus der Hand legen will.

Gail Jones:
Ein Samstag in Sydney. Roman. A.d. Engl. v. Conny Lösch. Edition Nautilus. 251 S., geb., 24 €

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